
© Andreas Klaer
Homepage: Leidenschaft für Big Data
Felix Naumann ist der jüngste Professor am Hasso Plattner Institut. Er erforscht die Datenauswertung
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Felix Naumann hat ein Faible für Romane amerikanischer Autoren. Die liest der Professor für Informationssysteme am Hasso Plattner Institut (HPI) am liebsten in klassischer Buchform. Auch Zeitungen hält er gerne auf Papier in den Händen. An seinem Beruf wiederum schätzt er die Möglichkeiten der digitalen Welt. Naumann schwärmt vom Programmieren: „Informatiker können loslegen und sehen sofort Ergebnisse.“ Er verstehe es sehr gut, dass seine Studenten manchmal nächtelang programmieren. „Es fesselt einen und ist unheimlich befriedigend.“
Die Informatik ist allerdings nicht nur eine spannende Tätigkeit, sondern auch eine heikles Terrain. Wie sensibel die Öffentlichkeit beispielsweise auf das Thema Daten und Privatsphäre reagiert, hat Naumann im Sommer 2012 erlebt, als Details über das geplante Forschungsprojekt „SCHUFALab@HPI“ an die Öffentlichkeit gelangten. Die HPI-Wissenschaftler sollten im Auftrag des Unternehmens Schufa Grundlagenforschung vor allem über die Eignung öffentlich zugänglicher Web-Daten zur Verknüpfung mit anderen betreiben, so Naumann. „Das wurde komplett missverstanden und skandalisiert.“ Er habe das Projekt schließlich gestoppt, weil konzentriertes Forschen angesichts des Shitstorms unmöglich geworden sei. „Eigentlich wollten wir mit dem Projekt die gesellschaftlichen Risiken von Webdaten aufdecken und veröffentlichen“, so Naumann. „Forscher müssen sich in jedem Fachgebiet fragen, ob und wie die von ihnen entwickelten Techniken missbraucht werden könnten.“
Ideen hat Naumann viele. Und die Begeisterung für sein Fach nimmt man ihm sofort ab. Seine Leidenschaft für die Analyse und Reinigung riesiger Datenmengen – in der IT-Branche kurz als „Big Data“ bezeichnet – scheint grenzenlos. „Das ist unglaublich wichtig“, erklärt Naumann. „Daten sind die Grundlage für alles in der Informatik. Auch all die schönen Visualisierungen zum Beispiel basieren auf ihnen.“ Damit Suchmaschinen und Datenbanken korrekt arbeiten, müsse die Qualität der Daten stimmen. Naumann entwickelt unter anderem Methoden, die die Datenreinigung automatisieren.
Seine Studenten lobt der Informatiker über alles. Das Lob beruht allerdings auch auf Gegenseitigkeit. Gerade hat Naumann, mit 42 Jahren der jüngste Professor am HPI, den Fritse-Preis erhalten. Mit der Auszeichnung ehrt der Fachschaftsrat IT-Systems Engineering den Leiter des Fachgebiets Informationssysteme für seine engagierte Lehrtätigkeit. „Das HPI ist schon etwas Besonderes“, sagt Naumann. „Wer eine gute Idee hat, bekommt die Möglichkeit, sie zu realisieren.“
Begonnen hat seine Leidenschaft in den 1980er-Jahren mit einem Commodore 128 D. Seine Eltern ahnten, dass Computer immer wichtiger werden würden. Sie schenkten dem damaligen Achtklässler den heiß ersehnten ersten Computer. „Als Erstes habe ich damit vor allem gespielt“, gibt Naumann zu. Dann wuchs seine Neugier und er probierte aus, was mit dem Rechner noch alles möglich ist. „Meine Eltern haben mich darin immer unterstützt und mir neue, damals teure Programme geschenkt.“ Mit seiner Leidenschaft für Mathematik und Informatik sei er das schwarze Schaf der Familie, sagt Naumann und lacht. Sein Vater, der bekannte Publizist, Verleger und ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann, seine Mutter, von Beruf Fotoredakteurin, und seine Schwester, heute wissenschaftliche Mitarbeiterin im Jüdischen Museum in Berlin, hatten andere Vorlieben.
Geboren in Hamburg, aufgewachsen in England, in den USA und in Deutschland, machte Naumann sein Abitur an einem altsprachlichen Gymnasium in Hamburg. Dann folgten das Studium der Wirtschaftsmathematik an der Technischen Universität Berlin und schließlich die Promotion an der Berliner Humboldt-Universität. Das Thema: Datenreinigung. Dafür erhielt er 2000 den Dissertationspreis der Gesellschaft für Informatik. Sechs Jahre später bewarb er sich erfolgreich am Potsdamer Hasso Plattner Institut. Seitdem lebt Naumann mit Frau und zwei Kindern in Potsdam-Babelsberg.
Forschungsaufenthalte am Computing Research Institute in Katar vor gut einem Jahr sowie am IBM Almaden Research Center in Kalifornien vor fünf Jahren inspirierten ihn zu seinem aktuellen Schwerpunkt, den sogenannten „Big Data“. „Bei IBM habe ich die Web-Daten für mich entdeckt“, sagt Naumann. Im Almaden Research Center konnte er alle Methoden der Datenreinigung ausprobieren. In Katar ging es ihm vor allem darum, Methoden der Daten-Analyse zu erweitern.
Dass die Analyse von riesigen Datenmengen nicht nur Nutzen bringt, sondern auch gesellschaftliche Risiken birgt, ist Naumann nicht erst seit den Enthüllungen zur Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA bewusst. Er selbst hinterlässt im Netz möglichst wenig Spuren, nutzt privat weder soziale Netzwerke noch Twitter. „Viele dieser Dienste sind sehr angenehm, aber man muss sich vor Daten-Missbrauch schützen.“ Selbst als Informatiker sei er immer wieder von den Möglichkeiten überrascht.
Derzeit denkt Naumann über ein Forschungsprojekt zur automatisierten Auswertung von Reisedaten nach. Kann man bei den Reiserouten von Politikern Muster erkennen, aus denen sich persönliche Verflechtungen ablesen lassen? Wie oft begegnen sich Politiker, Unternehmer und Lobbyisten auf ihren Reisen? Naumann: „Das würde dem normalen Bürger mehr Transparenz ermöglichen.“
Maren Herbst
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