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Ablegen. Heute werden auf dem Theaterschiff die Anker gelichtet. Eisberge werden dem „Sturmvogel“ wohl keine begegnen, Martina König und Timo Schöps erwarten perfektes Umzugswetter für die Reise von der Alten Fahrt an die Schiffbauergasse.

©  Andreas Klaer

Potsdamer Theaterschiff zieht um: Leinen los

Am heutigen Montag wird der Mast umgelegt – das Theaterschiff zieht an die Schiffbauergasse um

Stand:

Für den letzten Pressetermin vor dem Umzug des Theaterschiffes klettern Martina König und Timo Schöps nach vorn auf den Bug des Schiffes und blicken in Richtung Lange Brücke. Wenn am heutigen Montag alles gut geht, der Pegel nicht mehr gestiegen ist, dann passt der Kahn auch darunter durch. „Ist doch perfektes Umzugswetter, ein gutes Omen“, sagt Martina König.

Die stürmischen Zeiten für das Theaterschiff – sie scheinen vorerst vorbei. Heute Mittag legt der „Sturmvogel“ ab und verlässt endgültig die Alte Fahrt – um an der Schiffbauergasse anzulegen. Dort soll er bleiben, weil er sonst dem intensiven Baugeschehen und der künftigen Nutzung in Potsdams neuer Mitte in die Quere kommen könnte, befürchtete die Stadtverwaltung. Nach viel Streit und Diskussion um die Zukunft des Schiffes hat sich der Theaterschiff-Verein jetzt mit dem Ortswechsel abgefunden. „Ich freue mich auf die Ankunft am neuen Ort“, sagt Martina König, künstlerische Leiterin des Ensembles.

Freitag und Samstag fanden die letzten Vorstellungen am alten Standort statt: „Spiels noch mal, Sam“. Das letzte Wort hatte allerdings DJ Rengo Samstagnacht. Dann wurde das Schiff auf den Umzug vorbereitet. Die Reling vom Oberdeck ist schon lange abgebaut, Tische und Stühle, Heizhäuschen und Führerhäuschen verschwinden im Inneren des Kahns. Denn es kommt auf jeden Zentimeter an. Höchstens 1,15 Meter hoch darf das Wasser stehen, Hochwasser wäre ganz schlecht, dann käme der Kahn nicht weg. Aber das muss, das soll er, unter der Langen Brücke einmal durch, dann wird im Hafenbecken gewendet – falls es dort zu eng ist, in der Havelbucht. 150 Meter beträgt der Wendekreis des Schiffes, das zwar selbst nur 52 Meter lang ist, aber einen kleinen Schleppkahn braucht. „Wir haben keinen Motor“, sagt Timo Schöps, der Mann für die Technik. Er hat jetzt viel zu tun, so ein Umzug bei fast laufendem Betrieb ist anstrengend. Immerhin können die Gläser der Bar im Regal stehen bleiben, so wacklig wird es nicht, dass hier Gefahr droht. Heute muss jedoch noch der zweite Anker gelichtet werden - jeder der beiden wiegt 600 Kilogramm. Dann wird der Mast mithilfe einer Bugwinde abgesenkt. Gegen Mittag soll es losgehen, eine halbe Stunde könnte das Ablegen dauern, die Fahrt rüber zur Schiffbauergasse kaum eineinhalb Stunden. Dafür haben sie einen Schiffsführer und einen Matrosen aus Berlin angeheuert, der das Schiff steuern darf. Unter der Langen Brücke geht es zweimal durch, dann unter der Humboldtbrücke. Zwischen Tanzfabrik und Hans Otto Theater wurde am Ufer eine neue Steganlage gebaut, sechs Meter breit und 20 Meter lang in den Tiefen See hinein.

„Wir wurden hier von allen Kultur-Anliegern herzlich empfangen“, sagt Martina König. „Wir erleben eine offene, konstruktive Atmosphäre, alle hoffen auf Synergie-Effekte.“ Auch der Streit mit dem Restaurantschiff John Barnett hat sich gelegt. „Da machen wir demnächst einen Antrittsbesuch“, so König. Nein, sie sei nicht so wehmütig über den Wegzug wie vielleicht manch andere, die schon länger oder von Anfang an dabei sind – wie der Schauspieler Bob Schäfer. „Ich wäre auch gern hier geblieben, aber die Stadt unterstützt nun mal die Kulturzentrierung. Mit der Baustelle vor der Tür macht das Spielen ohnehin keinen Spaß mehr.“ Jetzt freue er sich auf die neue Situation. Auch Vereinsvorsitzender Mathias Iffert, der lange um ein Bleiberecht für den historischen Kahn stritt, auch weil er das Stadtbild lange Zeit geprägt habe, sagt heute: „Danke, Alte Fahrt, wir freuen uns auf die Schiffbauergasse und viele neue, spannende Projekte.“

Das ehemalige Lastschiff, Baujahr 1924, entdeckten 1994 Mitglieder der Stadtspieltruppe im Rummelsburger See, Liegeplatz der ausgedienten Flotte des Berliner Kabelwerks. In Eigenarbeit wurde der Kahn zum Theaterschiff ausgebaut, seit 1995 fanden hier zahlreiche Premieren, Konzerte, Lesungen und Tanzveranstaltungen statt. Besucher kommen schon lange nicht mehr nur aus Potsdam, es gibt Gäste aus ganz Deutschland und von noch weiter her. Die Stadt hat in diesem Jahr ihre jährliche Förderung von 68 000 Euro um 30 000 aufgestockt und versprochen, die vom Land gestrichene Zuwendung von jährlich 15 000 Euro zu kompensieren. „Das brauchen wir auch für unseren regelmäßigen Kulturbetrieb“, sagt Martina König. Sämtliche zwölf Schauspieler proben und arbeiten unentgeltlich.

Der neue Liegeplatz bietet auch Vorteile: Die Leitungen für Wasser und Abwasser sind stabil verlegt, Timo Schöps muss nun nicht mehr wöchentlich 130 Meter lange Schläuche das Ufer hinaufschleppen, wie bisher an der Alten Fahrt. Wer künftig zum Theaterschiff will, kann die Parkmöglichkeiten der Schiffbauergasse, insbesondere das Parkhaus, nutzen. Am Donnerstag, dem 20. Februar, soll es den ersten „Live in der Bar-Abend“ geben, für März ist eine Umzugsparty geplant.

Ob sie zum Umzug sentimentale Tränen vergießen werden? Sicher nicht, sagt Martina König, wir sind viel zu sehr mit dem Ankommen beschäftigt. Vermissen wird sie allerdings den Blick auf die romantische Freundschaftsinsel und die Nachtigallen am Abend. Timo Schöps wird vielleicht noch das eine oder andere Mal auf der Bank an der Alten Fahrt über alte Zeiten nachdenken, sagt er. „Es wäre schön, wenn wir in der Schiffbauergasse auch wieder eine Art Wahrzeichen für die Stadt werden könnten“, hofft Martina König.

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