HINTERGRUND: „Letzte Gefangene“
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Roland S. Lauder, hat Deutschland schwere Versäumnisse im Umgang mit NS-Raubkunst vorgeworfen.
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Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Roland S. Lauder, hat Deutschland schwere Versäumnisse im Umgang mit NS-Raubkunst vorgeworfen. Über Jahrzehnte habe die Bundesrepublik die Suche nach gestohlener Kunst aus jüdischem Besitz vernachlässigt.
„Dass fast 70 Jahre nach Ende des NS-Regimes eine Sammlung wie die Gurlitt-Kollektion mit Hunderten gestohlener Werke plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht, ist nur ein Beispiel für die Gleichgültigkeit“, sagte Lauder am Donnerstag in Berlin.
Die Bundesrepublik müsse die Nachforschungen nach Raubkunst in den Museen entschlossen anpacken und sich aktiv an der Suche nach den Erben beteiligen, forderte Lauder. „Dazu gehört aber Mut und der Wille und jemand, der endlich sagt: Lass uns das machen!“ Auch eine Aufhebung der Verjährungsfristen für NS-Raubkunst sei notwendig. „Es gibt keine Verjährung für die Morde der Nazis. Warum soll es eine Verjährung für ihre Raubzüge geben“, so Lauder. „Die gestohlenen Werke sind die letzten Gefangenen des Zweiten Weltkriegs.“ Er werde diese Position auch gegenüber der Bundesregierung bekräftigen. Lauder schlug die Gründung einer Kommission vor, die die Museen überprüft, nach Opfern und deren Erben sucht und gerechte Entschädigungen anbietet. „Eine solche Kommission braucht aber Zähne und die Befugnis, die Bestände aller Museen zu durchforsten.“ Der WJC sei im Besitz von Dokumenten zum Verbleib der geraubten Werke. „Wir wissen, wo die gestohlene Kunst ist – aber die Bundesrepublik weiß es auch.“ Der Weltkongress sei bereit, seine Information und Experten zur Verfügung zu stellen.
Die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte sich am Mittwoch für ein Zentrum zur Suche nach NS-Raubkunst ausgesprochen. Entsprechende Bundesmittel sollten verdoppelt werden. „Ich finde es schlicht unerträglich, dass sich immer noch Nazi-Raubkunst in deutschen Museen befindet“, so Grütters. Die Bundesrepublik habe sich gegenüber den NS-Opfer vorbildlich verhalten, so Lauder, etwa in der Frage der Entschädigung für Zwangsarbeiter oder der Suche nach „herrenlosen Konten“. Beim Thema Raubkunst habe es aber stets Ausflüchte gegeben. „Immer wieder hat uns Deutschland die Tür vor der Nase zugeschlagen“, sagte Lauder. „Wir haben nie verstanden, warum. Mit einer solchen Haltung wirken ja Hitlers Verbrechen bis heute fort.“ Deutschland sollte dieses Kapitel endlich schließen. Esteban Engel
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