zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Licht, selbst wenn es dunkel ist

Schlössernacht-Einsichten: 32 500 Eintrittsberechtigte – Massen auf den Parkwegen wie Geister entfernt

Stand:

Die achte Schlössernacht ist am frühen Sonntag Morgen zu Ende gegangen. Weit über 550 Musiker und Künstler verwandelten den Park Sanssouci für eine Nacht in ein riesiges erwanderbares Gesamtkunstwerk. Der Regen zum Ende, der nun auch schon fast Tradition hat, setzte im Gegensatz zum vergangenen Jahr erst nach dem spektakulären Abschlussfeuerwerk ein.

Eigentlich ist der Mensch gar nicht für die Nacht geschaffen. Im Dunkeln sieht er nichts, und er hat Angst. Aber Licht, das in der Düsternis erstrahlt, erscheint als etwas Erlösendes, in der einzigartigen Verbindung der achten Schlössernacht aus 1700 Scheinwerfern und 2300 Wegeleuchten sogar zuweilen als etwas Grandioses.

Wie der Dichterhain vor Schloss Charlottenhof. Die fünfzig jungen Kastanien sind von unten mit je zwei Lichtern erstrahlt, der Brunnen in der Mitte schimmert blau. Oder die in Licht getauchten bunten Blumenrabatten der Parkgärtnerei. Solche Farben erwartet niemand in der Nacht. Auch der Klassiker, die Weinbergterrassen an der Großen Fontäne sind einfach herzbeklemmend schön.

Als es um kurz nach neun Uhr dunkelt, schien das Schwarz um einen herum die anderen 32 500 Eintrittsberechtigten einfach aufzusaugen, mit denen man sich die erleuchteten Bauwerke, aber auch die Wege, Verzehrstände und Toilettencontainer teilen musste. Die Massen auf den Wegen, wie Geister entfernt, nicht störend. Als es Nacht wurde, zeigte das Thema der Lichternacht, „EinBlicke und AusSichten“, auch eine ironische Note. Um das informative, aber nicht leicht zu lesende Programmheft studieren zu können, beugten sich so manche Lustwandler in den diffusen Schein der Energiesparbirnen zu ihren Knien, um das nächste Ziel zu finden.

Am Tage hatte das Fest die Gäste mit Wunschwetter begrüßt. Sogar der Sonnenuntergang, der das Neue Palais in Licht und Wolkenrahmen umfasste, schien in seiner Pracht inszeniert. Plötzlich, überall im Park, ein Gedröhne und Geknatter, wo sonst aus allen Richtungen Musik erklingt. Die Blicke Staunender richten sich in den Himmel. Dort kreist ein Luftschiff dicht über den Baumkronen und wirbt dreist für einen Billigflieger. Da hat wohl jemand das Marketingpotential der Schlössernacht für sich entdeckt. Immerhin die Bewohner einer ganzen Stadt, die sich unter freiem Himmel aufhalten.

Stiftungsdirektor Hartmut Dorgerloh gab im Billardzimmer der Neuen Kammern, in dem leider kein Spieltisch steht, Einblick in seine Arbeit. Er entfaltet seinen Terminzettel der letzten Woche. Montag Direktorenrunde, Mittwoch, Blaubeereisbecher mit einer Mitarbeiterin, die Geburtstag hat. Dann Treffen mit Joop. Kontaktpflege. Der polyglotte Modedesigner soll spontan sein Kommen für die Nacht versprochen haben.

Auf der „Fressmeile“, der Maulbeerallee, ist ein halbmondgroßes griechisches Dönerbrot der Renner. Eine Gabel ragt aus jedem Berg aus Kräuterquark. Gleich daneben wird Mozart gespielt. Den halben Liter Erdbeerbowle bekommt man für 7 Euro. Die amerikanische Sumpfzypresse neben dem Ökonomieweg, gleich am Neuen Palais, mit ihren aus dem Boden ragenden Luftwurzeln, spricht als einer der überall verteilten „Baumgeister“. In falschem amerikanischen Akzent.

Von der Hauptbühne hinter dem Neuen Palais trägt der Wind noch die glockenhellen Stimmen des belgischen Mädchenchors „Scala“ in den Park. Dazu ein Knistern, das von den Lautsprechern kommen muss. Das mischt sich mit den Tönen der namenlosen Solisten unter schwachen Laternen am Wegesrand. Ins Spiel vertieft, in der Musik entrückt.

Ein älteres Ehepaar aus Potsdam teilt sich eine Dolde Trauben. Es blickt wehmütig und mit einigem Abstand auf die Menschentraube, die sich Einlass erhofft zu einem Harfenkonzert. „Schau“, sagt er zu ihr missbilligend, „wie sie alle auf den Rasen treten.“ Die beiden verzichten lieber auf das Konzert.

Immer wieder schrillt die Alarmanlage des Chinesischen Teehauses hoch. Die vielen Menschen wollen seinem Gold nahe sein. Das Geräusch klingt wie eine riesige Grille, die mitten im Park sitzt. Stille und Ruhe von erholsamer Tiefe in der Friedenskirche. Auch die Kirche profitiert sichtlich von der großen Resonanz der Schlössernacht. Auf den Stuhlreihen, quer zum Altar aufgebaut, sitzen Erschöpfte, die dem Orgelprogramm folgen. Die Sopranistin Susanne Behrens entzückt mit geistlichen Liedern. Energie, die ohne Elektrizität auskommt.

Matthias Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })