Von Guido Berg: Lieber Potsdam als Paul McCartney
Oberbürgermeister Jakobs empfing israelische Wirtschaftsvertreter und nahm Einladung nach Israel an
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Jann Jakobs war noch nie in Israel – aber das soll sich ändern. Der Oberbürgermeister erhielt gestern von den Managern zweier großer israelischer Software-Unternehmen, Yaron Tsubery und David Bassa, eine Einladung zum Besuch unter anderem der Hauptstadt Jerusalem. Jakobs sagte zu und mit ihm werden im kommenden Jahr Schüler der Potsdamer Voltaire-Schule fahren, die ebenfalls eine Einladung erhielten. Bassa und Tsubery standen einer israelischen Delegation vor, die an der internationalen Konferenz für Software-Technologie Conquest (Conference on Quality Engineering in Software Technology) teilnahmen. Die Konferenz mit 300 Teilnehmern aus 21 Ländern fand bis gestern in Potsdam statt. Veranstalter war das Potsdamer Unternehmen International Software Quality Institute (iSQI), das sich 2007 in der Breiten Straße angesiedelt hat.
Beim Empfang im Stadthaus durch den Oberbürgermeister zeigten sich die israelischen Wirtschaftsvertreter bei bester Laune: Sie habe Karten für ein Paul McCartney-Konzert gehabt, erklärte Chen Bressler. Das habe sie extra für Jann Jakobs abgesagt und sei dafür nach Potsdam gekommen. „Ich gebe ihnen ein Autogramm“, ging Jakobs erheitert auf die lockere Grundstimmung ein.
ISQI-Geschäftsführer Stephan Goericke erläuterte, dass die Conquest-Konferenz, für die in diesem Jahr Israel als Partnerland ausgesucht war, gerade zum Ziel hatte, Hemmschwellen zwischen israelischen und brandenburgischen IT-Firmen abzubauen. Diese seien vorhanden, weil israelische Software-Unternehmen zumeist bereits sehr renommiert sind. Zudem würden Freunde aus Israel, die ihn besuchen, oft nicht zuerst fragen, was der Großvater früher getan habe und wo die Synagoge stand. Vielmehr werde gefragt: „Wo kann man hier abends gut weggehen? Wo trifft man nette Leute?“
Jakobs nutzte den Besuch aus Israel, um über die Potsdamer IT-Branche zu informieren: So arbeiteten 4500 Menschen in 290 Firmen in der Landeshauptstadt in diesem Technologie-Bereich. Zumeist handele es sich um Firmen mit weniger als zehn Mitarbeiter. Ansiedlung von Oracle sowie des Hasso-Plattner-Institutes strich Jakobs heraus. Seine Gäste direkt ansprechend, lud er sie ein, „das 291ste, 292ste oder auch 293ste IT-Unternehmen in Potsdam zu gründen.“ Jakobs: „Sie passen herausragend in diese Stadt.“
Weiterhin erinnerte der Oberbürgermeister an die große Rolle, die Juden für die Potsdamer Gesellschaft vor 1933 gespielt hat. „Sie haben die Stadt mit geprägt.“ Nachdem die Nationalsozialisten versuchten, jüdisches Leben in der Stadt auszulöschen, soll heute die jüdische Vergangenheit stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Jakobs nannte die Aktion Stolpersteine, die keine „staatlich verordnete Erinnerungskultur“ sei, sondern aus der Bevölkerung heraus initiiert und finanziert werde. Stolpersteine – eine Initiative des Künstlers Gunter Demnig – werden vor dem letzten freiwillig gewählten Wohnort von in der NS-Zeit ermordeten Juden in den Gehweg eingelassen. Sie bestehen aus kleinen Beton-Quadern, auf deren Oberseite sich eine Messingplatte befindet. Darin eingraviert ist der Name, das Geburtsjahr, das Jahr der Deportation und der Ermordung. Jakobs lobte die Leistung der Schüler der Voltaire-Schule, die die Geschichte der in Potsdam mit Stolpersteinen geehrten Juden recherchierten und Kontakt mit Verwandten der Ermordeten aufnahmen. Die israelische Delegation besichtigte gestern den Stolperstein für Wilhelm Kann vor dem Haus Friedrich-Ebert-Straße 113. Mit der Deportation von Wilhelm Kann im Juni 1943 galt die Stadt für die Nazis als „judenrein". Kann wurde am 4. Januar 1944 in Theresienstadt ermordet.
Am Standort der in der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 geschändeten Synagoge am Platz der Einheit legten die Gäste einen Kranz nieder. Für den Neubau einer Synagoge an der Schlossstraße 1 sagten Delegationsmitglieder ihre Unterstützung zu.
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