Landeshauptstadt: Liebhaberstücke
Mehr als 160 000 Euro haben Buchpaten bereits für die Restaurierung von Büchern der Bibliothek gespendet. Jetzt wurde der neue Katalog vorgestellt
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Manchmal trifft es der hundertjährige Kalender mit seinen Wettervorhersagen dann doch erstaunlich genau: „Rauer Wind, Nebel und Schneegestöber“ lautet die Prognose für den 5. Dezember 1800. Nachzulesen im Kalender der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften für jenes Jahr. Dieter Seidel muss schmunzeln, als er den Eintrag findet. Auch die Namenstage, Sonnenstände und Himmelsereignisse verzeichnet der historische Band, wie der pensionierte Diplomingenieur für Antriebstechnik und Hobbyhistoriker erläutert. Er hat sich schon entschieden: Für den Hauskalender aus dem Jahr 1800 wird er seine nächste Buchpatenschaft übernehmen.
Seidel ist einer von mittlerweile insgesamt 163 Buchpaten, die der Stadt- und Landesbibliothek das Geld für dringend nötige Restaurierungen gespendet haben. 160 360 Euro sind dadurch in den vergangenen 16 Jahren zusammengekommen, 524 Bücher konnten restauriert werden. Fünf davon gehen auch auf Seidels Konto. Er war einer von 14 Buchpaten, die am gestrigen Donnerstagabend in der Bibliothek für ihren Einsatz im abgelaufenen Jahr geehrt wurden.
Der gebürtige Vogtländer, der seit 1978 in Potsdam wohnt, bezeichnet sich selbst als Bücherwurm: „Ich kaufe mir schon keine Bücher mehr, weil ich nicht mehr weiß, wohin damit“, erzählt er. Vor allem Geschichtsbücher liest der 72-Jährige, ab und an auch mal einen Roman. Auf das Bücherpaten-Projekt ist er gestoßen, nachdem er vor mehr als zehn Jahren selbst an einem Buch über die brandenburgischen Gutshäuser mitarbeitete und dafür auch in der Bibliothek recherchierte. 2007 unterzeichnete er seine erste Buchpatenschaft. Seitdem ist er jedes Jahr dabei, spendet jedes Jahr zwischen 150 und 200 Euro für ein Restaurierungsprojekt. „Ich tu das gerne“, sagt Dieter Seidel.
Die Bibliothek ist auf Menschen wie Seidel angewiesen. Denn Mittel für die Restaurierung der Bestände gab es bis vor Kurzem praktisch nicht, erklärt Frank Dirk Hoppe, der die Abteilung Landesbibliothek leitet und damit auch für die landesgeschichtlichen Bestände in der Brandenburgica-Abteilung zuständig ist. Hoppe hat auch den neuen Buchpaten-Katalog aufgelegt. Es ist der mittlerweile 20. In der Broschüre können sich Spendeninteressierte über die Werke, für die gesammelt wird, informieren. Insgesamt 13 Kalender der Wissenschaftsakademie aus dem 18. und 19. Jahrhundert warten auf die Rettung – nötig sind dafür Summen von 160 bis 360 Euro pro Band.
Auf den ersten Blick eine eher „graumäusige“ Angelegenheit, räumt Hoppe ein: „Das sind keine Visitenkarten-Buchpatenschaften, sondern Liebhaberstücke.“ Die Kalender stammen aus dem Nachlass des 1943 verstorbenen Heimatforschers Rudolf Schmid, dessen Bibliothek auch den Grundstock für die Brandenburgica-Sammlung ausmacht. Schmid sammelte nicht nur Bücher, sondern auch Kleinschriften wie Speisekarten oder Theaterpläne – Dokumente also, die vom Alltagsleben in Brandenburg erzählen. Seine Sammlung sei besonders bei Heimatforschern und Ortschronisten nachgefragt. „Eigentlich ist die Rudolf-Schmid-Bibliothek komplett restaurierungsbedürftig“, sagt Hoppe.
Aber er hat auch noch andere Sorgenkinder: besonders die historischen Zeitungen seien in teils desolatem Zustand. „Wir haben meterweise Regale mit Zeitungsbänden aus dem 1920er- und 1930er-Jahren, aber auch aus der DDR-Zeit“, berichtet Hoppe. Das Papier sei derart verfallen, dass eigentlich nur noch das Abfilmen in Frage kommt. Für die Buchpaten sei ein solches Projekt viel zu umfangreich. Aber erstmals gebe es jetzt einen Fördertopf mit Bundesgeldern. „Da tut sich langsam etwas“, sagt Hoppe.
Bei Interesse für eine Buchpatenschaft informieren Frank Dirk Hoppe, Tel.: (0331) 289 65 00, und Sybille Weber, Tel.: (0331) 289 64 44.
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