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Kann mit. Karl-Liebknecht-Fahnen der Babelsberger Fans sind auch am Samstag im Berliner Jahn-Sportpark erlaubt.

©  Jan Kuppert

Sport: Liebknecht ist erlaubt

Wenn Fußball-Viertligist SV Babelsberg 03 am Samstag zum BFC Dynamo muss, treffen sich auch zwei politisch unterschiedlich geprägte Fanlager

Stand:

Verfeindete Fangruppen? Davon wollten die Vertreter der Viertliga-Fußballvereine BFC Dynamo und Babelsberg 03 vor dem Spiel gegeneinander (Anstoß: Samstag, 13.30 Uhr, Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark) nichts wissen. Die Wortwahl, die von der Polizei bei der Sicherheitsberatung verwendet wurde, beschreibe die Lage nicht zutreffend, hieß es aus den Vereinen.

Stattdessen wurde von einer „neuen Situation“ gesprochen, und wer an eine neue Situation denkt, der denkt an die Vorgeschichte des letzten Aufeinandertreffens beider Vereine in Liga vier. In der Saison 2006/2007, Babelsberg 03 verabschiedete sich am Ende dieser Saison in Liga drei, boykottierten die SVB-Fans im Dezember 2006 das Spiel beim BFC Dynamo und lauschten stattdessen einer Audio-Übertragung im Thalia-Kino in Babelsberg. Die SVB-Fans reagierten mit dem Boykott auf den Platzsturm der BFCer beim vorherigen Heimspiel im Karl-Liebknecht-Stadion.

Lang ist’s her, viele junge Fans kennen diese Geschichte nur als Geschichte. Inzwischen sind der SVB und Aufsteiger BFC Dynamo wieder in Liga vier vereint. Davon, das kommende Spiel zu boykottieren, spricht heute keiner. Fangruppen des SVB werben mit dem Ziel „1000+x“ – normalerweise sind zwischen 100 und 200 SVB-Fans auswärts dabei. Der BFC erinnert mit dem Slogan „3D-Kino an der frischen Luft“ noch einmal mit Ironie an den Boykott.

Ansonsten freut man sich in Berlin nicht nur wegen der erwarteten Zuschauereinnahmen über den Gast aus Potsdam. Es wird – nach den Heimspielen gegen Auerbach, Hertha BSC II und Union II, als kaum Gästefans auftauchten, weil die Spiele der Profitruppen parallel angesetzt waren – zum ersten Mal ein größerer Auflauf im Gästeblock und damit eine noch bessere Stimmung im Jahn-Sportpark erwartet. Dorthin, in den Prenzlauer Berg, ist der BFC im Sommer für die Spiele umgezogen. Geeinigt hat man sich auch auf das, was an Transparenten erlaubt ist. Karl Liebknecht sei natürlich okay, heißt es beim BFC, der Schuh, der das Hakenkreuz zertritt, nicht – das sei gewaltverherrlichend.

Die große Unbekannte bleibt, wie viele eigentlich fußballferne, möglicherweise gewaltbereite Zuschauer die Partie anzieht. In der rechten Szene, die beim BFC stärker vertreten ist, wird angeblich mobilisiert, weil mit Babelsberg 03 ein Verein kommt, der stark durch politisch linksorientierte Fans geprägt ist. Spekulieren will man bei den Vereinen nicht, wen das Spiel alles ins Stadion ziehen könnte. Unklar ist, ob das für Samstag in Berlin angekündigte Konzert der Neonazi-Hooligan-Band „Kategorie C“ Auswirkungen hat. In die Kategorie C ordnet die Polizei gewaltsuchende Fußballfans ein, darunter auch zahlreiche vom BFC.

Der BFC setzt zur Disziplinierung zunehmend auf die eigenen Fans, die sich die erste Viertliga-Saison nach Jahren der Insolvenz und Agonie in tieferen Ligen nicht kaputtmachen lassen wollen, und verweist auf die Entwicklung der vergangenen Jahre. Bisher gibt es keine Vorkommnisse, gelegentlich sogar Lobesbriefe von der auswärtigen Polizei. „Seit ich hier bin, seit fast zwei Jahren, ist nichts passiert“, sagt Martino Gatti. Gatti, der 2001 den SVB mit seinem Treffer zum 1:0 gegen Fortuna Düsseldorf in die zweite Liga schoss, ist jetzt Co-Trainer beim BFC. Gatti hat in seiner Fußballerkarriere beim linksalternativen FC St. Pauli gespielt und beim türkisch geprägten, inzwischen untergegangenen SV Yesilyurt aus Berlin, wurde auf Fußballplätzen beleidigt und wartete bei Auswärtsspielen mit St. Pauli auch mal eine Stunde im Mannschaftsbus, ehe der unbeschadet die Heimreise antreten konnte. Später spielte er beim BFC und kritisierte in einem Interview die Fans. Als er vor knapp zwei Jahren als Co-Trainer zurückkehren sollte, habe er sich das schon überlegt, sagt Gatti – sich aber letztlich von BFC-Trainer Volkan Uluc überzeugen lassen. „Bis jetzt war alles nur positiv. Es gab keine rechten Parolen“, fasst Gatti die letzten Jahre zusammen.

Auch beim Fanprojekt Berlin sieht man diese Entwicklung. Der Verein reagiere nicht mehr nur auf rechte Tendenzen, sagt dessen ehrenamtlicher Verantwortlicher Arthur Starker, sondern distanziere sich aktiv vom Rechtsradikalismus. Dass alle Bemühungen für ein friedliches Fußballfest reichen, hofft man in beiden Vereinen – und bei der Polizei.

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Ingmar Höfgen

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