Vortrag über Jan Hus und die Böhmischen Brüder: Lieder für die „Ketzer“
Als der Prager Reformator Jan Hus im Sommer 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen stand, soll er prophezeit haben: „Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen.“ Mit der Gans meinte Hus sich selbst.
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Als der Prager Reformator Jan Hus im Sommer 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen stand, soll er prophezeit haben: „Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen.“ Mit der Gans meinte Hus sich selbst. „Husa“ bedeutet auf Tschechisch „Gans“. Ob jene Worte des bis in den Tod standhaften böhmischen Theologen nur eine Legende sind oder nicht – Martin Luther jedenfalls bezog mehr als 100 Jahre später diese Weissagung auf sich. Er sei jener Schwan, den Hus habe kommen sehen. Auf vielen Gemälden ist der Wittenberger Reformator daher zusammen mit dem gefiederten Wasserbewohner dargestellt.
In einem Vortrag unter dem Titel „Jan Hus und die Böhmischen Brüder“ will der ehemalige Pfarrer der Kirchengemeinden von Eiche und Bornstedt, Gottfried Kunzendorf, am diesjährigen Reformationstag, dem 31. Oktober, um 17 Uhr in der Kirche von Potsdam-Eiche an Hus erinnern – ein passendes Thema am 499. Jahrestag der Veröffentlichung von Luthers Thesen. Hus, geboren um 1370 im böhmischen Husinek, wurde wegen seiner theologischen Ansichten auf dem Konzil von Konstanz der Häresie beschuldigt. Das Konzil, das im Münster von Konstanz tagte, verurteilte den streitbaren Prager Theologieprofessor und Reformator im Sommer 1415 zum Tod durch Feuer.
Manches, was wir heute mit Luther verbinden, hatte Hus bereits über 100 Jahre zuvor gedacht. So wendete sich der Prager Theologe, ebenso wie später Luther, gegen den Ablasshandel. Beide Reformatoren vertraten zudem die Ansicht, allein die Heilige Schrift sei die höchste Autorität, nicht hingegen der Papst.
Kunzendorf will in seinem vom Potsdamer Kantor Matthias Trommer musikalisch begleiteten Vortrag auch auf eine musikgeschichtliche Besonderheit der Böhmischen Brüder eingehen: Manche von ihnen verwendeten damals – mitten im tschechischen Sprachraum – ein deutschsprachiges Liederbuch. Dass für die Böhmischen Brüder, nachdem sie 1501 ein tschechisches Gesangsbuch erhielten, 30 Jahre später auch ein Liederbuch in deutscher Sprache gedruckt wurde, hat ganz maßgeblich mit dem Zuzug von deutschsprachigen Waldensern aus der Mark Brandenburg zu tun, die sich den Böhmischen Brüdern angeschlossen hatten. Im Mittelalter wurden die Waldenser, die in großer materieller Bescheidenheit lebten, von der katholischen Inquisition verfolgt. Auch in der Mark Brandenburg führte man gegen sie Ketzerprozesse. Waldenser siedelten hier hauptsächlich in der Uckermark – vor allem im Raum Angermünde – und in der damaligen Neumark.
Herausgeber des deutschsprachigen Liederbuches der Böhmischen Brüder war Michael Weiße, Vorsteher der deutschen Brüdergemeine in Landskron und Fulnek. Er stand im Kontakt mit Martin Luther und hatte ihn mehrfach in Wittenberg besucht. Weißes Liederbuch gilt mit 157 Liedern als das umfangreichste der Reformation. Viele der Lieder sind eigene Dichtungen Weißes, bei anderen wiederum handelt es sich um Übertragungen aus dem Tschechischen oder Lateinischen. Luther soll sich lobend über die Lieder Weißes geäußert haben.
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