Landeshauptstadt: Lindenpark droht Zahlungsunfähigkeit
Sanierungsbüro warnte Gläubiger vor Insolvenz / Dirk Harder erhebt Vorwürfe gegen frühere Führung
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Babelsberg - Dem Lindenpark, einer der größten soziokulturelle Vereine Potsdams, droht die Insolvenz: Die kommenden Wochen seien die „entscheidende Phase“, um den finanziell schwer angeschlagenen Lindenpark e.V. doch noch zu retten. Dies sagte Vereinschef Dirk Harder auf Anfrage. Nach PNN-Recherchen hat die nur noch bis zum Ende diesen Jahres mit der Entschuldung beauftragte Babelsberger Steuerberatungsgesellschaft Dr. Fischer & Dr. Dietrich GmbH jüngst in Schreiben an Großgläubiger vor drohender Zahlungsunfähigkeit des Vereins gewarnt. Sollte die Einigung mit den Gläubigern nicht bis zum 15. November gelingen, heißt es in einem Schreiben, müsse Insolvenz angemeldet werden.
Die Frist zur Einigung, so Harder nun, habe nur intern bestanden und sei verlängert worden. „Wir können auf keinen Fall alle Schulden bezahlen, auch wenn ich die Situation der Gläubiger verstehen kann.“ Es gehe um einen Gesamtbetrag von deutlich über 200 000 Euro. Gläubiger sind dabei unter anderen die Energie und Wasser Potsdam GmbH, Krankenkassen und frühere Vermieter des Vereins. Den Stand der Verhandlungen mit ihnen bezeichnete Harder als „gut“: Der Verein wolle die Gläubiger mit jeweils 20, 40 oder 60 Prozent der Schulden endgültig abfinden. „Geht einer darauf nicht ein, sind wir zahlungsunfähig.“ Dies könne jedoch nicht Interesse der Gläubiger sein – diese bekämen dann nichts, da der Lindenpark weder über Grundstücke noch sonstige Wertanlagen verfüge. Um den auszuhandelnden Gesamtbetrag zu begleichen, so Harder weiter, plane er die Aufnahme eines Sanierungskredits. Gleichzeitig bestätigte er, dass der Verein seit seinem Amtsantritt im April 2006 bereits zweimal kurz vor der Insolvenz stand. „Das ist fast schon ein normaler Zustand.“ Allerdings komme man den „aktuellen Verpflichtungen“ nach, bezahle Löhne, anfallende Rechnungen für etwa das Sanierungsbüro und habe mit dem Schuldenabbau begonnen. „Ich denke, wir haben wieder Vertrauen gewinnen können – allerdings muss es bald eine Lösung geben, weil auch unsere Kraft langsam schwindet.“
So seien auch die Rahmenbedingungen der finanziellen Sanierung schwierig. Das Land Brandenburg habe in diesem Jahr seine Förderung von 70 000 Euro um 10 000 Euro zugunsten des Kulturstandortes Schiffbauergasse reduziert. Zudem könne der Verein verdientes Geld nicht neu investieren – etwa in die mittlerweile „marode“ Technik. „So müssen wir zum Teil Equipment für Konzerte mieten, was natürlich teurer ist.“ Gleichzeitig sei jedes Konzert ein Risiko, weil bei zu wenigen Besuchern sofort wieder Schulden entständen. „Es ist für uns zu riskant, auch “mal eine teure Band zu buchen“, so Harder.
Der Lindenpark e.V. betreibt unter anderem die Sternwerkstatt für Kinder, die beiden Jugendclubs j.w.d. und S13. Der Verein beschäftigt inklusive Auszubildenden rund 20 Mitarbeiter. Spätestens seit 2005 gilt er als wirtschaftlich schwer angeschlagen. Damals waren unter der ehemaligen Geschäftsführerin und Vereinsvorsitzenden Monika Keilholz beispielsweise Gehälter über Monate nicht mehr gezahlt worden (PNN berichteten). In der Folge wurde Keilholz von Harder und der neuen Geschäftsführerin Alexandra Adler abgelöst.
„Allerdings ist der frühere Vorstand unter Frau Keilholz nicht entlastet wurden – er wäre haftbar, wenn wir Insolvenz anmelden müssten“, sagte Harder. In diesem Zusammenhang erhob er erstmals öffentlich Vorwürfe gegen die frühere Führung. „Es wurden Verträge abgeschlossen, die betriebswirtschaftlich unsinnig waren und zwangsläufig in die Schuldenfalle führen mussten.“ So seien Gebäude wie der Spartacus in der Schloßstrasse oder das Waldschloss in der Stahnsdorfer Straße „teuer“ angemietet worden, statt selber Vermögenswerte zu schaffen. Unter anderem ist der Lindenpark bis zum Jahr 2012 an den Mietvertrag für den Spartacus gebunden und muss dort eine stetig steigende Staffelmiete zahlen. Beim österreichischen Besitzer des Waldschlosses in der Stahnsdorfer Straße 100 soll der Verein nach PNN-Recherchen rund 35 000 Euro Schulden haben – plus rund 15 000 Euro für Betriebskosten. Das Mietverhältnis ist allerdings seit 2004 aufgelöst.
„Als ich mein Amt im April 2006 antrat, habe ich viele solche Überraschungen erlebt“, sagt Harder. Auch zum bereits Ende 2005 erhobenen Vorwurf, im Lindenpark seien Fördergelder zweckentfremdet verwendet oder gar veruntreut worden, nahm Harder Stellung. Es habe mehrere Betriebsprüfungen gegeben, die „einzelne Rückforderungen“ in Höhe von bis zu 10 000 Euro zur Folge gehabt hätten. Allerdings gäbe es einen Zeitraum von mehreren Jahren ab etwa ab 2000, der nicht gänzlich „durchleuchtet“ hätte werden können. „In jedem Fall haben alle Kontrollmechanismen im Verein und von außen versagt“, so Harder. Er wolle mit seiner Kritik allerdings nicht die Leistung von Monika Keilholz „schmälern“, die den Lindenpark zu Beginn der 1990er Jahre aufbaute. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist ihr aber offenbar die Kontrolle entglitten.“ Die Stadtverordnete Keilholz war bis zur Finanzkrise des Lindenparks jahrelang Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses der Stadtverordnetenversammlung. Inzwischen hat sie sich im Stadtparlament von der SPD verabschiedet und sich der Fraktion Die Andere angeschlossen. Gestern Abend war sie telefonisch zu den Vorwürfen nicht mehr erreichbar.
Wegen der schweren wirtschaftlichen Probleme des Lindenpark-Vereins gab es diese Woche in der Stadtverwaltung bereits ein Krisengespräch. Die Stadt unterstützt den Lindenpark mit 130 000 Euro jährlich, dazu kommen Projektzuschüsse.
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