Landeshauptstadt: Linke gegen Rechte: Freisprüche und Verurteilungen Im Fall der Linken, die Neonazis verprügelt haben sollen, rügt die Richterin schludrige Ermittlungen
Im Prozess gegen fünf Mitglieder der Potsdamer linken Szene fiel am Montag das Urteil vor dem Potsdamer Amtsgericht: Drei der Angeklagten konnten aufatmen – sie wurden freigesprochen. Der Angeklagte Jan L.
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Im Prozess gegen fünf Mitglieder der Potsdamer linken Szene fiel am Montag das Urteil vor dem Potsdamer Amtsgericht: Drei der Angeklagten konnten aufatmen – sie wurden freigesprochen. Der Angeklagte Jan L. wurde hingegen wegen Körperverletzung zu zwölf Monaten auf Bewährung verurteilt. Seine Verteidigerin kündigte unmittelbar nach Verhandlungsende an, gegen den Schuldspruch in Berufung gehen zu wollen. Der Mitangeklagte Nico S. erhielt eine Geldstrafe von 1600 Euro.
Alle fünf Angeklagten im Alter von 22 bis 27 Jahren waren von der Potsdamer Staatsanwaltschaft der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung beschuldigt worden. Sie sollen zusammen mit mehr als 15 anderen Anhängern der Szene nach dem sogenannten Rosa-Luxemburg-Gedenken am 15. Januar 2011 zum Hauptbahnhof gegangen sein. Dort sollen sie, wie von der Polizei ermittelt wurde, auf drei junge Männer getroffen sein, die zur rechtsextremen Szene gehören. In der Folge seien die Linken zum Angriff übergegangen und hätten Schläge, Tritte und Hiebe mit einer Fahnenstange ausgeteilt. Die Angegriffenen hätten Prellungen erlitten, ein Finger sei gebrochen worden, dazu habe einer aus einer Platzwunde am Kopf geblutet. Die Tatverdächtigen äußerten sich allesamt nicht zu den Vorwürfen.
Diese Vorwürfe waren nach Ansicht des Gerichts unter Vorsitz von Richterin Birgit von Bülow so nicht haltbar: Früh wurde im Verfahren klar, dass der Angeklagte Wolfram C. freigesprochen werden würde. Er war lediglich zu Beginn der Ermittlungen von einem der Geschädigten belastet worden. Dieser war sich jedoch nicht sicher, ob es sich um C. handelte. Der Angeklagte André H. wurde durch die Aussage einer Zeugin am Montag entlastet. Seine damalige Freundin sagte aus, den Abend im Januar 2011 mit ihm verbracht zu haben. Somit hatte André H. ein Alibi. Wie die Richterin in ihrer Begründung ausführte, wäre er jedoch auch ohne diese Aussage freigesprochen worden: Die ihn und seinen Bruder René H. belastenden Aussagen der Geschädigten seien sehr widersprüchlich gewesen. Eine Verurteilung könne man nicht darauf stützen.
Für glaubwürdig hielt das Gericht die gleichen Zeugen in Bezug auf den Angeklagten Nico S.: Das Aussageverhalten sei konsistent. Alle drei Geschädigten aus der rechten Szene hatten bereits bei den ersten Vernehmungen angegeben, S. habe die Auseinandersetzung mit einem Faustschlag begonnen. Erst im Prozess hatte einer der Geschädigten ausgesagt, S. habe ihn mit einem Teleskopschlagstock traktiert. In einer polizeilichen Vernehmung war von einer Flasche die Rede gewesen. Diesen Angaben schenkte das Gericht keinen Glauben und verurteilte S. nur zu einer Geldstrafe. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten eine Bewährungsstrafe gefordert.
Die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe für Jan L. konnte dessen Verteidigerin nicht nachvollziehen: L. sei erst bei einer dritten Vorlage von Fotos vom Geschädigten erkannt worden. Dabei seien die üblichen Standards für solche „Lichtbildvorlagen“ von der Polizei nicht eingehalten worden. Sie sprach von Pfusch bei der Ermittlung. Auch die Richterin hielt die Polizeiarbeit für schludrig, glaubte jedoch dem Geschädigten, der L. identifiziert hatte. Dieser habe ihn mit einer Fahnenstange mehrfach geschlagen.
Die Frage der Glaubwürdigkeit der Geschädigten war im Prozess umstritten. Dafür sorgte unter anderem die Behauptung im Prozess, sie seien am Tattag nicht auf dem Rückweg von einer rechtsextremen Demonstration in Magdeburg gewesen. Zwei Polizeibeamte hatten jedoch bezeugt, dass die drei am Tattag genau das gesagt hätten. Das insgesamt widersprüchliche und abweichende Aussageverhalten müsse vom Gericht beachtet werden, hieß es von der Verteidigung. Das Gericht könne Schuldsprüche nicht auf zufällig passende Details stützen. Vonseiten der Verteidiger wurde angenommen, dass die Geschädigten ihre Aussagen abgesprochen hätten, um Angehörige der linken Szene vor Gericht zu belasten. Das Gericht sah jedoch keine Anhaltspunkte dafür.
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