Homepage: Living Labs und Hacker Spaces
Zukunftsstädte brauchen Freiräume zum Experimentieren– auch jenseits von Metropolen wie Berlin. Von Suntje Schmidt
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Zum Wissenschaftsjahr 2015 schreiben Forscher des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in den PNN über das Thema „Zukunftsstadt.
In den letzten 15 Jahren können wir die Entstehung von Räumen beobachten, die sich zum Ziel setzen, kreatives Arbeiten und Wirtschaften, Experimentieren und Basteln für eine breite Öffentlichkeit zu ermöglichen. Maker Spaces, Hacker Spaces, FabLabs, Living Labs, offene Werkstätten und Coworking Spaces sind nur einige Bezeichnungen für derartige Räume, die mit meist positiven Konnotationen von Wissen, Experimentieren, Austausch, Interaktion, Offenheit und Kreativität spielen. Folgt man der internationalen Fab Foundation, sind in Berlin und Brandenburg beispielsweise insgesamt vier FabLabs – Fabrikationslabore – registriert (Berlin, Cottbus, Potsdam und Wildau). Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung listet zudem allein für Berlin über 50 Coworking Spaces und 55 Innovations- und Kreativlabs auf.
Doch was verbirgt sich hinter diesen Phänomenen? Aus Sicht der IRS-Forschungsabteilung „Dynamiken von Wirtschaftsräumen“ sind unter Labs – als Oberbegriff für die genannte Bandbreite an Orten – Organisationen zu verstehen, die Arbeitsräume und technische Infrastrukturen für eine begrenzte Zeit für sehr unterschiedliche Nutzer bereitstellen. Sie zeichnen sich im Wesentlichen durch vier Merkmale aus: Zum ersten fungieren sie als Labore und Werkzeugkästen, halten also bestimmte „Maker Tools“ wie 3D-Drucker oder Laserschneider bereit und bieten Nutzern einen niedrigschwelligen Zugang dazu. Labs sind variabel in ihrer technischen Ausstattung und den Rohstoffen oder Utensilien, die sie bereithalten.
Zum zweiten sind die Labs – zumindest in einem gewissen Rahmen – offene Räume. Sie setzen auf zufällige, aber bedeutsame Begegnungen der Nutzer in ihren Räumlichkeiten und schaffen Umgebungen, die für möglichst große Teile der Gesellschaft zugänglich und attraktiv sind. Drittens inszenieren sich Labs bewusst als Orte für Prozesse des „out of the box“ Denkens und des Ausbrechens aus Denk-Routinen. Damit positionieren sie sich nicht nur als Arbeitsumgebung für die bereits angesprochenen Nutzergruppen der Selbstständigen, Gründer und Kreativschaffenden, sondern werden im Zuge von Open-Innovation-Strategien auch für etablierte Unternehmen zunehmend interessant.
Dies zeigt sich beispielsweise in der Partnerschaft zwischen dem Fab Lab Berlin und dem Unternehmen Otto Bock, die in diesem Jahr zusammen den „Open Innovation Space“ in Berlin eröffneten. Schließlich profilieren sich Labs durch Workshops oder Schulungen, zum großen Teil explizit für Einsteiger, als Lernplattformen. Sie knüpfen damit zum einen an den „Empowerment“-Gedanken der Lab-Bewegung an und stellen zum anderen auch eine gezielte Strategie zur Diversifizierung der Nutzergruppen dar.
Diese offenen, flexiblen und kommunikativen Arbeitsorte sind auch Ausdruck einer sich wandelnden Arbeitswelt und einer zunehmenden Öffnung von Organisationen und Innovationstätigkeiten. Wissensintensive Beschäftigungen finden sich immer häufiger außerhalb von sozialversicherungspflichtigen und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen. Gleichzeitig veranlassen beschleunigte Innovationszyklen Unternehmen, eigene Innovationsprozesse für externe Kompetenzen und Expertise zu öffnen. Sowohl Erwerbstätige in sehr dynamischen Arbeitswelten wie auch Unternehmen können von Labs profitieren, weil diese Arbeitsumgebungen und technische Infrastrukturen für freischaffende und selbständige Tätigkeiten anbieten, die gleichzeitig innovationsgetrieben sind. Umgekehrt nutzen große, aber teilweise auch klein- mittelständische Unternehmen Labs als Räume des Testens, Ausprobierens, Anstoßens und Umsetzens von Innovationen.
Zwar ist die Lab-Szene in hohem Maße global aufgestellt und hat deshalb ihre lokalen Anker zum überwiegenden Teilen in Metropolen wie Berlin ausgeworfen. Doch auch für weniger international positionierte Städte können diese Freiräume ein wichtiger Bestandteil ihrer Innovationslandschaft sein, vor allem wenn es ihnen gelingt, fachliche und organisatorische Grenzen zu überschreiten. So lädt zum Beispiel das ViNN:Lab der Technischen Hochschule Wildau Unternehmen und Organisationen ein, gemeinsame mit dem Lab Team, Hochschulmitarbeitern, Studierenden aller Fachrichtungen und externen Partnern sämtliche Phasen eines Innovationsprozesses zu begleiten.
Auch für raumbezogene Innovationspolitik erwachsen aus diesen Entwicklungen neue Herausforderungen, die sich aus der temporären und transdiziplinären Nutzung der Labs ergeben. Es treten neue Akteure in bestehende Innovations-, Wirtschafts- und Bildungssysteme ein, die diese vor allem durch ihre problemzentrierten und nutzergetriebenen Innovationen ergänzen. Während bestehende Politiken Unternehmen und Forschungseinrichtungen als Adressaten von Innovationspolitiken ansprechen, treten nun neue Akteure hinzu, nämlich Labs und ihre Nutzer. Für eine derartig fluide und kleinteilige Adressatenstruktur stehen bisher nur begrenzt Förderinstrumente zur Verfügung. Um neue Adressaten und Potenziale zu erkennen und gezielt Innovationsphasen zu fördern bedarf es vor allem politikfeldübergreifender Ansätze.
Dr. Suntje Schmidt ist Wirtschaftsgeografin am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner. Schwerpunkte ihrer Forschungsarbeit sind räumliche Aspekte von Wissensökonomien und Innovationen, kreative Ökonomien, Governance und EU-Regionalentwicklungspolitik.
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