Etwas HELLA: Lobeshymne auf die Potsdamer
Potsdamer, ich bin stolz auf euch! Schon lange wollte ich das mal sagen und nicht immer bloß herummeckern und den Finger auf irgendwelche Wunden legen.
Stand:
Potsdamer, ich bin stolz auf euch! Schon lange wollte ich das mal sagen und nicht immer bloß herummeckern und den Finger auf irgendwelche Wunden legen. Denn im Grunde meines Herzens beziehungsweise meines gern mal zum Motzen neigenden Temperaments bin ich ja doch mit Leib und Seele ein „Potsdama“.
Also, liebe Mit-Potsdamer, meinen Beifall habt ihr euch vor allem dadurch verdient, dass und wie ihr den Aufmarsch der rechten Szene am 15. September verhindert habt. Dabei konnte der Oberbürgermeister nicht nur Seit an Seit mit seinem ärgsten Rivalen um den städtischen Thron Solidarität demonstrieren, er konnte sogar forsch anbieten, anderen Städten zu zeigen, wie man eine solche Blockade organisiert, ohne gleich wieder die Gerichte und die Gesetze im Nacken zu haben. Dass sich ausgerechnet die Gewerkschaft der Polizei mokiert und lieber gesehen hätte, dass der Marsch der Rechten durchgesetzt und die Blockade aufgelöst worden wäre (ohne Randale wäre das sicher nicht abgegangen), finde ich absurd, aber natürlich völlig rechtskonform, denn – wie gesagt– heute wird nicht herumgekrittelt.
Ein dickes Lob gibt es auch dafür, wie Solidarität mit den Asylbewerbern gezeigt wurde, die gegen die Residenzpflicht demonstriert haben und sich dafür auf den Marsch nach Berlin begaben. Dabei wurde gleich noch deutlich, dass wir unsere Ausländer freundlich in den Schlaatz eingemeindet haben, ihnen durch öffentliche Verkehrsmittel in unmittelbarer Nähe Bewegungsfreiheit in der Stadt garantieren und sie mit Geld statt mit Gutscheinen versorgen. Nicht einmal die Nachbarn machen noch Bambule, weil das Asylbewerberheim in ihren Kiez verlegt wurde. Aber jeder und ganz besonders die Potsdamer brauchen eben ein bisschen Zeit, um sich an Neues zu gewöhnen und neue Nachbarn kennenzulernen. Wenn die sich trotzdem nicht immer wohl fühlen, liegt das sicher an einer Gemengelage, an der wir noch arbeiten müssen.
Denn die meisten Potsdamer sind zwar gegen Neonazis und Chauvinismus, aber es gibt eben immer auch noch welche ohne lichte Momente und die müssen sich dann Fackeln anzünden, um durchzusehen. Hoffentlich gelingt ihnen das, ehe sie nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichten. Warum die Freunde der Nazi-Ideologie ausgerechnet die Waldstadt für ihre Mini-Aufmärsche auserkoren haben, weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil es dort ansonsten kein Nachtleben gibt und der Stadtteil abends ziemlich zappenduster daherkommt. Das Waldstadt-Center hat sich jedenfalls nicht gerade zur multikulturellen Vergnügungsmeile gemausert. Aber warum sollten gute Demo-Sitten nicht auch mal schlechte Beispiele verderben? Sie sehen, ich kann heute nur positiv denken.
Und wenn wir dann noch solche Dauerstreitigkeiten wie die über den Tierheim-Neubau, über die Bebauung des Brauhausberges oder das Gezerre um eine angemessene Bleibe für die Potsdamer Tafel am Schlaatz (wobei ich hier um gegenseitige Annäherung von Tafel und – wie ich gehört habe – ziemlich tafelspitzer Verwaltung bitte), dann wächst sich Potsdam zum vielgeliebten Paradies seiner Bewohner aus und ich kann keine bissigen Kolumnen mehr schreiben, sondern nur noch Lobeshymnen. Das wird auf die Dauer allerdings etwas langweilig und frustriert womöglich meine Fans. Denn wie jeder weiß, erzeugt Reibung Wärme und nichts macht mehr Spaß, als wenn Häme nicht einen selbst, sondern einen anderen trifft.
An dieser Stelle schreibt alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch Potsdam etwas heller wird.
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