Tag der Architektur in Potsdam: Luftig und funktional
Seltene Einblicke: Zum Tag der Architektur am Sonntag kann auch ein Einfamilienhaus in der Babelsberger Tuchmacherstraße 15 besichtigt werden. Unser Autor hat sich vorab dort schon umgesehen.
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Potsdam - Die Großzügigkeit fällt auf. Dieses Luftige und Klare. Überall ist viel Platz. Die Räume im Haus der Familie Lungwitz in der Babelsberger Tuchmacherstraße 15 wirken modern und schnörkellos. Wer in dem Einfamilienhaus umhergeht, kann den Eindruck gewinnen, er stünde in einem kompletten Neubau. Dabei ist das Gebäude wohl schon über 100 Jahre alt. Wann es genau erbaut wurde, weiß man nicht. Zum Tag der Architektur am Sonntag, dem 26. Juni, kann das Familienheim in der Zeit von 13 bis 18 Uhr besichtigt werden. Ab 13 Uhr finden alle zwei Stunden Führungen durch das Haus statt. Der letzte Rundgang startet um 17 Uhr.
Typischer DDR-Charme
Vor gut einem Jahr sind Patricia und Marcus Lungwitz mit ihren beiden Kindern hier eingezogen. Da lagen rund zweieinhalb Jahre Bauarbeiten hinter ihnen. Im Jahre 2012 hatte die Familie das Haus gekauft. Zu dieser Zeit gab es noch drei Wohnungen in dem Gebäude. Zwei standen leer, eine Wohnung war noch bewohnt, erinnert sich Patricia Lungwitz. Bald zog der letzte Bewohner aus. Die Umbauarbeiten konnten beginnen. „Es hatte so einen typischen DDR-Charme“, sagt Architekt Marko Reiter über das Anwesen. Der Potsdamer hatte in enger Abstimmung mit den Bauherren die Pläne für den Umbau entworfen. Als Familie Lungwitz das Haus vor vier Jahren kaufte, befand sich an der Straßenfront des Gebäudes der klassische graue DDR-Kratzputz. Auch den Fenstern sah man von ihrer Form her an, dass sie der Zeit des Sozialismus entstammten.
Diese Spuren sind nun getilgt. Die Fenster im Erdgeschoss wurden im Zuge der Umbauarbeiten verlängert. An der Straßenfront erhielten sie ein Oberlicht. Die zur Hofseite hin gelegenen Fenster der Küche reichen heute bis nach unten zum Fußboden. Beide Küchenfenster sind zugleich Türen, durch die man über drei Betonstufen in den Garten gelangen kann.
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Die hauptsächliche architektonische Idee des Umbaus erschließt sich dem Besucher, wenn er durch die Räume wandelt und den großzügigen, modernen Schnitt des Hauses auf sich wirken lässt. Das Erd- und das Obergeschoss sind jeweils rund 90 Quadratmeter groß. Die sehr funktional wirkende Küche geht mit Leichtigkeit und Eleganz ins Esszimmer über, ohne dass eine trennende Tür zu durchschreiten wäre. Und doch hat sich Architekt Reiter zum Zwecke der teilweisen Raumtrennung einen Trick einfallen lassen: Zwischen beide Räume ist ein raumteilender fensterloser Quader gesetzt worden, der zugleich als Abstellkammer genutzt werden kann. An einer Seite dieses Kubus’ befindet sich ein unscheinbarer Einbauschrank. Neben diesem kleinen Raumwunder bleibt dann immer noch genug Platz, um bequem zwischen Esszimmer und Küche wandeln zu können.
Spuren der Vergangenheit fast nicht mehr sichtbar
Die Strukturen des einstigen Dreifamilienhauses hat Reiter mit seinen Plänen komplett aufgelöst. An den Zuschnitt der früheren drei Wohnungen erinnert im Haus nichts mehr. „Total verschachtelt“ und „wie kleine Puppenstübchen“ seien die gewesen, sagt Patricia Lungwitz. Im Obergeschoss, das heute durch eine schwarz-braune Treppe vom Erdgeschoss aus zu erreichen ist, befinden sich die beiden Kinderzimmer und das Schlafzimmer der Eltern. Durch eine Schiebetür erreicht man vom Schlafzimmer aus den Umkleidebereich mit Einbauschränken für Kleidung. Von dort gelangt man direkt in das mit feinen Armaturen ausgestattete Bad der Familie, das zugleich vom Flur erreicht werden kann. Der Fußboden im Haus besteht aus einer glatten Oberfläche. Dabei handelt es sich um den mit einer mineralischen Beschichtung versehenen Estrich. Auch dieses Detail hat Architekt Reiter schnörkellos konzipiert – immer auf Funktionalität bedacht. Die im ganzen Haus verlegte Fußbodenheizung sorgt dafür, dass es auf dem beschichteten Estrich nicht fußkalt ist.
Während im Haus die Spuren der Vergangenheit praktisch nicht mehr sichtbar sind, werden die Bauherren im Garten immer wieder an frühere Zeiten erinnert: Alte Ziegelsteine kommen bisweilen bei Gartenarbeiten aus dem Erdreich ans Tageslicht. Auch Bettfedern und einen alten Nachttopf habe sie schon in der Erde gefunden, erzählt Patricia Lungwitz.
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Egal ob Schule, Wohnhaus oder Scheune: Zum Tag der Architektur am Sonntag, dem 26. Juni, können in Brandenburg 38 Objekte besichtigt werden. Manche Gebäude sind gänzlich neu, andere Bauten haben schon eine lange Geschichte und wurden kürzlich restauriert oder in einer modernen Formensprache umgebaut. Neben mehreren Potsdamer Häusern sind unter anderem Schinkels restauriertes Molkenhaus auf Bärwinkel in Neuhardenberg, mehrere private Wohnhäuser sowie die restaurierten Salons in Schloss Branitz zu besichtigen. Auf der Webseite der Brandenburgischen Architektenkammer steht ein Faltblatt zum Herunterladen bereit, auf dem alle Objekte mit Adresse, Foto, kurzer Beschreibung und den Öffnungszeiten dargestellt sind. Fast überall ist der Eintritt frei. Die meisten Objekte sind am Sonntag von 13 bis 18 Uhr zu besichtigen. Zumeist werden um 13, 15 und 17 Uhr Führungen angeboten. Architekten stehen den Besuchern für Fragen zur Verfügung. Der bundesweit veranstaltete Tag der Architektur wird in Brandenburg von der Architektenkammer organisiert. Holger Catenhusen
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