Homepage: Lustreise durch die Botanik
Im Botanischen Garten der Universität Potsdam wurde das Thema „Grüner Sex“ beleuchtet
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Die Varianten reichen von der federleichten Windbestäubung über die passende Positionierung des Griffels und der klebrigen Narbe bis hin zur kürbisförmigen Geschlechtertravestie. „Grüner Sex – die Verführung und Liebe bei Pflanzen“ war unlängst Thema am Botanischen Garten der Uni Potsdam. Anderthalb Stunden lang konnte Prof. Ingo Schneider Blümchensex bieten. Der Direktor des Botanischen Gartens hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das ganze Repertoire sexueller Spielarten von Pflanzen auszuloten.
Was Isabella Rossellini vor einiger Zeit sehr nett in ihrem „Green Porno“ für die Welt der Insekten und Käfer in Szene gesetzt hatte, transformiert Schneider auf die Pflanzenwelt: den Sex als Antriebsmotor des Lebens. „Pflanzen kennen zwar keine Liebe, aber Sex. Denn was ist Sex in der Biologie anderes als Fortpflanzung?“, fragte Schneider. Er erzählt von Liebesnestern, von Embryosackmutterzellen und Fahrstuhlsex. Ganz allgemein entdeckt er recht viele Parallelen zwischen der menschlichen und der pflanzlichen Vermehrung.
Während im Glashaus des Botanischen Gartens buntfarbig und schönblättrig die Orchideen blühen, unternimmt Schneider eine Lustreise von Pflanze zu Pflanze mit Schnecke, Schmetterling und Kolibri. Dabei spart er die „Liebe im Wasser“ nicht aus und auch nicht das „Werben mit Geschenken“.
So könnte der Eindruck entstehen, Balzverhalten sei universell und bei Tier und Pflanze doch recht gleichartig. Dieser Verdacht beschlich bereits frühe Forscher. Schon im 16. Jahrhundert beschrieb der Botaniker Rudolf Jacob Camerer die bisexuelle Vermehrung von Pflanzen. Die Gleichsetzung des Sex wurde damals noch als anstößig empfunden. Die Fortpflanzung durch Zellteilung ist allerdings noch ein wenig älter, schon vor etwa 6,3 Milliarden Jahren begannen Bakterien damit. „Der sexuelle Urknall fand dann vor etwa einer Milliarde Jahren statt. Da bildeten sich zwei unterschiedlich konnotierte Zellarten, die zur Fortpflanzung miteinander verschmolzen werden mussten“, erklärt Schneider.
Wie weit die Pflanzenwelt sich nun am menschlichen Raffinement der Liebeswerbung orientiert, sei dahin gestellt. Sicher ist allerdings, dass es in der Botanik nicht an Ideenreichtum fehlt, wenn es darum geht, alle Möglichkeiten der Vervielfältigung auszuschöpfen. Die Haselnuss lässt ihre Fäden im Wind hängen. Linde, Salbei und Fingerhut hoffen auf neugierige Insekten und die Mauritiusglocke vertraut auf die klebrigen Fußpatschen des Gecko.
Nicht immer locken, wie bei der Rose, wohlriechende Düfte. Die Rafflesie, die immerhin die größten Blüten im Pflanzenreich aufweist, stinkt nach Aas und bedient sich dementsprechend der Fliege, um ihren Samen zu transportieren. Manche Pflanze setzt auch aufs falsche Insekt. Nachdem die Motte ausgestorben war, die Jahrhunderte lang auf der Insel Molokai die Vulkanpalme bestäubt hatte, sah die Pflanze ihrem sicheren Ende entgegen. Hilfsbereite Botaniker unterstützten die Fortpflanzung daher fortan mit Hand und Bestäuber. Richard Rabensaat
Im April geht es im Botanischen Garten um „delikate Wildkräuter“. Jutta Heimann und Yvonne Schmiele bieten am Sonntag 25. April (14 Uhr) einen Aktionstag dazu an: Wildkräuter erkennen, verarbeiten und verkosten ist ihr Thema.
Richard Rabensaat
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