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Sonntagsvorlesung: Direktor der Ernährungsforscher zum Einfluss der Gene auf das Essverhalten

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Sonntagsvorlesung: Direktor der Ernährungsforscher zum Einfluss der Gene auf das Essverhalten Warum sind in vielen Industrieländern fast die Hälfte der Erwachsenen zu dick? Ist Übergewicht selbstverschuldet oder angeboren? In der Sonntagsvorlesung am vergangenen Wochenende im Alten Rathaus klärte Prof. Hans-Georg Joost diese und weitere Fragen. Gleich vorweg nahm er, dass wir „sehr weitgehend von unseren Genen bestimmt“ sind. Dies ist aber kein Grund zur Kapitulation vor der Waage, denn jeder kann mit seinem Verhalten selbst Einfluss nehmen. Professor Joost, fit und schlank aussehender wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Ernährung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, interessierte mit seinem Thema offenbar viele Personen: Die Vorlesung war sehr gut besucht, es mussten sogar noch Stühle herbeigeschafft werden, damit alle – vom Studierenden bis zum Rentner – Platz fanden. Bei seinem lebendigen und anschaulichen Vortrag konzentrierte sich Joost besonders darauf, ob die Gene bestimmen, wie viel oder sogar was wir essen. Am DIfE fanden er und sein Team heraus, dass Übergewicht eine genetische Fehlsteuerung sei. Diese verursache eine fehlerhafte Regulation von Energieaufnahme und -abgabe. So läge der gestörte Energieverbrauch „etwa 20 Prozent niedriger“ als normal. In Tests erreichte dadurch die schwerste Maus stolze 130 Gramm, eine gesunde Maus wiegt nur 30 Gramm. Für diese Genabweichung gibt es aber einen guten Grund: Bis vor wenigen Jahrzehnten waren sparsamere Gene in der Evolution begünstigt. Unsere veränderten Lebensbedingungen heute führen jedoch unter anderem zu Fettleibigkeit. Professor Joost prognostiziert sogar, dass im Jahr 2030 „mehr als 50 Prozent der Amerikaner übergewichtig“ sein werden, ebenso ähnliche Bevölkerungsanteile anderer Länder. Bisher stellte man in einer Studie an freiwilligen Potsdamern fest, dass vor allem 40- bis 50-jährige Männer pro Jahr etwa 500 Gramm zunehmen. Bei den Kindern entdeckte man im 20-Jahres-Vergleich, dass dicke Kinder immer dicker würden, die anderen Kinder hingegen dem Vergleichsgewicht entsprechend nicht zunehmen. Der Einfluss der Gene gehe soweit, so Joost, dass eineiige Zwillinge auch unter unterschiedlichen Lebensumständen ein fast gleiches Körpergewicht hätten. Außerdem gibt es „mehrere bekannte Genomabschnitte und Gen-Varianten, die Übergewicht verursachen.“ Diese seien aber sehr komplex und beträfen einige hundert Gene. Allein beim Fadenwurm habe man etwa 100, bei der Fruchtfliege etwa 200 verschiedene Gene entdeckt, die die Körperfettmasse kontrollieren. Aber nicht nur die Gene bestimmen unser Gewicht. Auch das Essverhalten der Mutter in der Schwangerschaft, das Stillen und der eigene Energieverbrauch beeinflussen es. So habe das Stillen eine positive Wirkung auf das Gewicht, weil das Kind weniger überfüttert werde als mit der Flasche, erklärt Joost. Nicht nur der genetisch festgelegte Geschmackseindruck, das Essverhalten der Schwangeren und das der Familie nach der Geburt sowie die Kultur bestimmen, was uns schmeckt, erläutert Joost. Um eine halbe Tafel Schokolade zu verbrennen, verdeutlicht er, müsse man etwa fünf Stunden sitzen, drei Stunden bügeln, eine Stunde radeln oder eine Dreiviertel Stunde joggen. Wer langfristig abnehmen möchte, dem rät Professor Joost eine dauerhafte Änderung der Lebensgewohnheit, eine Kalorienreduktion und erhöhte körperliche Aktivität sowie eine ständige Erfolgskontrolle und Motivation. Denn der Körper strebt immer ein individuelles Gewichts- und Fettverhältnis, Setpoint genannt, an, dem nur ständige Interventionen begegnen können. Anja Born

Anja Born

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