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Homepage: Magische Kugeln

1,4 Millionen Euro von Volkswagenstiftung für neue Medizin von Max-Planck

1,4 Millionen Euro von Volkswagenstiftung für neue Medizin von Max-Planck Prof. Dr. Jochen Werner ist Leiter der Klinik für HNO-Heilkunde in Marburg. Jedes Jahr kommen etwa 20 Patienten mit einer Hautkrebserkrankung in seine Klinik, dem Plattenepithelkarzinom. Vielen konnte er bisher nicht helfen. Zwar kann man diese Krebsart operieren, doch wenn der Tumor im Kopfbereich entsteht, wird der Körper sehr schnell über die am Hals befindlichen Lymphdrüsen und das lymphatische System mit Tochtergeschwülsten überschwemmt. Auf der Suche nach einem Ausweg für seine Patienten begann der Chefarzt, sich mit neuen Medikamentformen zu beschäftigen, die im Bereich der Polymerchemie entwickelt werden. Dabei stieß er auf die Arbeit des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm und nahm Kontakt zu Professor Markus Antonietti auf. Die Gruppe um Professor Antonietti arbeitet mit ihren Partnern an den Universitäten in Duisburg, Freiburg und Hamburg an so genannten „Polymervesikeln“. Dies sind kleinste Trägersysteme von etwa 20 Nanometern ( 0,000002 cm) Durchmesser, mit deren Hilfe Wirkstoffe und sogar Gene kontrolliert zu bestimmten Zellen transportiert und in ihnen freigesetzt werden können. Mit dieser Technik werden Medikamente „beweglich“, so dass sie Krebszellen im Körper überall hin folgen und bekämpfen können – eine Hoffnung nicht nur für die Krebspatienten von Klinikchef Jochen Werner. Für die interdisziplinären Forschungen auf diesem Gebiet hat das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung nun die Unterstützung der Volkswagenstiftung erhalten, die zwei Projekte mit insgesamt 1,4 Millionen Euro fördert. Konventionelle Pharmazeutika haben einen entscheidenden Nachteil: sie überfluten den ganzen Körper ihrem Wirkstoff, obwohl er nur an bestimmten Stellen gebraucht wird. Wenn ein Patient 70 Kilogramm wiegt und das zu behandelnde Tumorgewebe etwa 70 Gramm, dann könnte die Dosis des Medikaments um den Faktor 1000 vermindert werden, wenn man das Medikament gezielt an die Stelle bringt, an der es wirklich gebraucht wird. Dies sollen in Zukunft die so genannten „Carrier-“ und „Containersysteme“ leisten. Die Art der kolloidalen Verpackung, die die beiden Teams um Professor Antonietti und Professor Gleb Sukhorukov in Golm entwickeln, unterscheidet sich dabei sehr stark voneinander. Sukurokovs Gruppe verwendet vergleichsweise große Container mit einem Durchmesser von etwa drei Mikrometern (0,0003 cm). Sie bringen ihren Wirkstoff in die Nähe bestimmter Zellen, zerfallen dort und geben ihn so frei. Die Gruppe um Antonietti hingegen versucht eine „Magic Bullet“ zu konstruieren: Eine Kugel, die mit einem Schuss eine möglichst große Anzahl Krebszellen bekämpfen soll. Diese wesentlich kleineren „Carrier“ sind maßgeschneidert darauf, bestimmte Zellen zu verfolgen, sie aktiv zu vernichten oder fehlerhafte genetische Informationen in der Zelle zu reparieren. Dazu müssen sie zwei Barrieren überwinden: Sie müssen sich in eine Krebszelle und dann in den Zellkern hinein bewegen können. Die chemische Struktur dieses „Carriers“ ist so angelegt, dass sich die Wirkung seiner „Ladung“ erst im Zellkern entfaltet. Eingeschleust in die kranke Zelle wird ein Plasmid, etwa um sie wieder dazu anzuregen, Insulin zu produzieren. Gegenüber dem Immunsystem tarnen sich beide Trägersysteme als „Wasser“. Nur so können sie unbehelligt ihr Ziel erreichen. „Adressiert“ werden können kranke, gesunde oder gewebespezifische Zellen. „Unsere eigentliche Information ist ein kleiner Ring, und auf dem beispielsweise steht: Stelle Insulin her!“ beschreibt Antonietti diesen Vorgang. „Dieser Ring wird in eine kleine Kapsel verpackt. Dann erfinden wir einen Briefumschlag, eine Briefmarke und eine Adresse. Das ist die ganze Idee.“ Überzeugt hat er die Volkswagenstiftung mit einem einfachen Versuch: Er belud seine „Carrier“ mit einem Protein, das Nierenzellen dazu anregt, einen grün fluoreszierenden Stoff zu produzieren – wenn die genetische Information von der Zelle angenommen wird. Wie geplant begannen die Zellen nach dem Kontakt mit den „Carriern“ grün zu leuchten. „Man muss sich nur vorstellen, dass dies geschädigte Zellen eines Zuckerkranken wären, denen wir gesagt haben: Produziert wieder Insulin! Da wollen wir hin.“ Norbert Weigend

Norbert Weigend

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