Landeshauptstadt: Magischer Schulstart
Unterricht in der Manege: Die Hanna-von-Pestalozza-Grundschule in Groß Glienicke veranstaltet eine Zirkusprojektwoche
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In der Mitte der Manege hängt Nils kopfunter am Trapez. Nach Anleitung seines Trainers schlingt der Schüler seine Füße um die Seile, drückt den Rücken durch und streckt den Kopf nach oben. „Vogelnest“ heißt die Figur, und Nils lacht über das ganze Gesicht. Die Pose ist ihm gut gelungen. Stolz setzt er sich zurück auf die Sitzbank, die nächsten Kinder treten ans Trapez.
Nils ist eines von insgesamt 283 Kindern der Hanna-von-Pestalozza-Grundschule in Potsdam Groß Glienicke, die in der ersten Schulwoche für den Zirkus trainieren. Ein rotes Zelt steht auf der von der Sommerhitze gebleichten Wiese am Groß Glienicker Kreisel. Drumherum reihen sich die weißen Zirkus-Wohnwagen. „1. Ostdeutscher Projektcircus André Sperlich“ steht auf einer Plakatwand. Im Inneren des Zelts ist es trotz Sommerwärme luftig. Auch in der Turnhalle und in den Klassenräumen proben die Kinder für ihre Aufführungen, die heute bis zum Wochenende stattfinden.
Mit der Zirkusprojektwoche erfüllen sich Schüler, Lehrer und Eltern einen besonderen Wunsch anlässlich des 15-jährigen Schuljubiläums. Einen Großteil der Kosten sammelten die Schüler beim jährlich stattfindenden Sponsorenlauf der Schule, der 7000 Euro einbrachte. Weitere Unterstützung erhielt das Projekt von Unternehmen der Region. „Zirkus – das heißt für die Kinder ganz viel Magie und Zauberei, da leuchten die Kinderaugen“, sagt Schulleiterin Grit Meinhold. „Viele Kinder träumen davon, einmal in andere Rollen zu schlüpfen und sich vor einem Publikum zu präsentieren.“
Dieser Traum wird nun Wirklichkeit. Zehn professionelle Zirkusartisten üben mit den Kindern Kunststücke ein. Auf den Namen „Hannalini“ tauften die Schüler ihren ganz persönlichen Zirkus. Als Akrobaten, Seiltänzer, Clowns, Zauberer, Fakire, Tierdresseure oder Piraten trainieren sie in altersgemischten Gruppen für die große Vorstellung. Am Ende wird ein zweistündiges Programm stehen, das vor einem öffentlichen Publikum aufgeführt werden soll.
Bereits am vergangenen Samstag konnten die Erstklässler ihre Einschulung im Zirkuszelt feiern und sich von einer Vorstellung verzaubern lassen. Gemeinsam hatten Eltern, Lehrkräfte und Zirkusleute tags zuvor bei brütender Hitze das große Zirkuszelt aufgebaut. „Das hat auch zusammengeschweißt“, sagt Schulleiterin Meinhold und lacht. Die Vorbereitungen für die Zirkuswoche seien aufwendig gewesen, betont sie. Das Gelände musste vorbereitet und gemäht, Toilettenhäuschen aufgestellt, Stromkabel verlegt und eine Wasserversorgung installiert werden. Auch der Schulalltag mit Unterricht, Hortbetreuung und Essensversorgung musste für die Projektwoche komplett umorganisiert werden. Doch der Aufwand werde sich lohnen, davon ist die Rektorin überzeugt. „Vor allem im sozialen Bereich werden die Kinder einen Kompetenzzuwachs erleben.“ Trainiert werde in altersgemischten Gruppen, die Älteren helfen den Jüngeren.
Während im Inneren des Zirkuszelts rege die kleinen Artisten auf dem Seil balancieren und an Trapezen üben, erklärt Zirkusdirektor André Sperlich draußen in der Sommersonne den Umgang mit den Zirkustieren. Im Ziegengehege drängen sich schon ungeduldig Sissy, Max, Lissy, Blacky, Chrissi und Sonja am Gatter. Sie wissen: Gleich geht es hinaus. Denn vor dem Tor halten die Kinder bereits die Ziegenleinen in den Händen. „Schön vorsichtig und keine Angst“, sagt André Sperlich. Jede Ziege wird angeleint. Doch als André Sperlich das Tor öffnet, gibt es kein Halten mehr. Stürmisch erobern die Ziegen das hohe Gras neben ihrem Gehege und knabbern genüsslich an den langen Halmen. Nun werden auch die beiden kleinen Zirkusponys Prinz und Carino über die Wiese zum Zelt geführt. Amy und Fritzi putzen sie mit Mähnenkamm und Fellbürste. „Die Ziegen werden in der Vorstellung von einem Ponyrücken auf den anderen springen“, sagt André Sperlich.
Seit 13 Jahren arbeitet der Zirkusdirektor mit Schulkindern zusammen und zeigt ihnen das Zirkushandwerk. Disziplin, Konzentration seien dabei wichtig, betont er, aber auch Vertrauen in sich und die anderen. Die Nachfrage nach seinen Projektwochen ist groß, die Wartezeiten zum Teil sehr lang. Deutschlandweit ist der Projektzirkus mit drei Zirkuszelten unterwegs. Etwa 45 Projekte führt das Familienunternehmen allein mit einem Zirkus jährlich durch. Über den Erfolg freut sich Sperlich: „Es ist auch eine Möglichkeit, das Zirkushandwerk wieder neu aufleben zu lassen.“ Am schönsten sei es für ihn jedoch, am Ende einer Projektwoche die Dankbarkeit der Kinder zu spüren, die nach einer erfolgreichen Vorstellung mit einem gestärkten Selbstbewusstsein nach Hause gingen.
Die öffentlichen Zirkusvorstellungen finden am heutigen Donnerstag und am Freitag um 17 Uhr und am Sonnabend, dem 10. August um 10 und 14 Uhr auf der Wiese am Groß Glienicker Kreisel statt. Der Eintritt kostet 9 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Heike Kampe
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