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Landeshauptstadt: Magnet am Platz der Einheit

Mit Kauf- und Kaffeehaus wollten Bonner Architekten nach der Wende das Zentrum stärken

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Unter den Architekten, die sich wenige Jahre nach der Wende mit der Potsdamer Innenstadt befassten, war auch das Büro Novotny, Mähner & Weber aus Potsdams Partnerstadt Bonn. Sie sahen sofort, dass vor allem ein Magnet im Zentrum fehlte und wollte am Platz der Einheit ein Kaufhaus bauen.

„Die Menschen müssen neben ihren Wohnungen auch ihren Arbeitsplatz und Versorgungseinrichtungen finden, dort also Geld verdienen und es ausgeben können“, diese Binsenweisheit verkündete Volkhard Weber auf einem internationalen Architektenseminar in Potsdam 1992. Wenn es mit den Arbeitsplätzen auch zunehmend schlechter aussah, sollten zumindest zum Geldausgeben mehr Möglichkeiten geschaffen werden. Das ehemalige Konsument-Warenhaus, damals Horten, und die zahlreichen noch bestehenden Einzelhandelsgeschäfte reichten keineswegs aus. Mehr als die Hälfte der trotz wachsender Arbeitslosigkeit vorhandenen Kaufkraft wanderte nach Berlin ab.

„Zur wesentlichen Verstärkung des Angebots an Einkaufsflächen (Magnetpolwirkung) nahe dem Holländischen Viertel und der Friedrich-Ebert-Straße mit dem benachbarten Postamt wird ein Kaufhausgebäude vorgeschlagen, das eventuell auch mehrere Kaufhausunternehmen beherbergen kann“, so der Vorschlag der Bonner Architekten.

Das Kaufhaus hätte etwa dort gestanden, wo sich heute die Wilhelmgalerie befindet und wo sich damals das mit roten Feldern verglaste zweistöckige Schuh-Kaufhaus mit seinem über eine Außentreppe erreichbaren Café im ersten Stock befand. Die Realität scheint bei den Planungen der Bonner zu einem gewissen Teil Pate gestanden zu haben. Nur die rot verglaste Fassade des Schuhhauses muss ziemlich abschreckend gewirkt haben, denn zur Ausführung des Kaufhauses sagt Weber: „Struktur und Materialwahl sollten innovativ-modern sein, wenngleich sich Fassadenrhythmus und Texturproportionen durchaus auf Vorbilder der Innenstadt beziehen können.“ Die Zugänge für die Fußgängerströme sollten, anders als bei der heutigen Wilhelmgalerie, an den Diagonalecken des Kaufhauses liegen. Diese Diagonalerschließung sollte sich in der Gestalt des Baukörpers auch im Inneren fortsetzen. Seine Ausdehnung zum Platz der Einheit hin wäre erheblich größer gewesen als die der heutigen Wilhelmgalerie. Die Straßenbahnschienen hätten nach Süden verlegt werden müssen.

Die der Stadt- und Landesbibliothek zugewandte Fläche des Platzes der Einheit sollte als „Garten“ bestehen bleiben und eine Diagonalgliederung, wie sie bei der Neugestaltung im Jahr 2000 umgesetzt wurde, erhalten. Im Schnittpunkt der Diagonalen, also in der Mitte, wollte Weber ein Kaffeehaus aus Glas, Stahl und Naturstein errichten. „Wegen seiner exzellenten Lage im Zentrum der Stadt hätte dieses Kaffeehaus eine erhebliche Frequentierung zur Folge“, so die Prognose des Architekten.

Allerdings hätte die „exzellente Lage“ eine Neugestaltung zwischen der Straße Am Kanal und der Nikolaikirche erfordert. Dazu wollte er die vorhanden Gebäude durch „Anlagerungen“ verbessern. An Total-Abriss war nicht gedacht. Glasgalerien sollten den Abschluss gegenüber der Friedrich-Ebert-Straße und der Nikolaikirche bilden. „Dahinter könnten sich Läden, Boutiquen, Kioske, Fast-Food- oder kleine Spezialitätenrestaurants, Reisebüros, eine Touristen-Information, Kunst- und Kunstgewerbegeschäfte, Galerien, Werkstätten von Juwelieren, Musikhandlungen, aber auch Versicherungszweigstellen, städtische und private Beratungsunternehmen sowie derzeit auch städtische Veranstaltungsflächen und die Bibliothek befinden“, lautete die Vision der Bonner Architektensozietät. Die Belebung dieses Teiles der Innenstadt ist damals wie heute eine unerledigte Aufgabe. Mit der Neugestaltung der Potsdamer Mitte müsste das Ziel verbunden sein, „die wohltuende historische Enge der ursprünglichen Straßen- und Platzräume wiederzuerlangen“, wie dies die Bonner Architekten bereits vor 14 Jahren vorschlugen.

Die im Jahre 1998 eröffnete Wilhelmgalerie ist sicher kein Kaufhausersatz, jedoch tragen die hier vorhandenen Cafés und Einzelhandelsgeschäfte erheblich zur Belebung des Zentrums bei. „Dolce Vita“ und „Alex“ sind ein beliebter Anlauf- und Aufenthaltspunkt für Jung und Alt. Insofern hat sich die Sinnfälligkeit eines Cafés am Schnittpunkt der Platz-Diagonalen durch die heutige Bebauung und Nutzung aufgelöst.

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

Günter Schenke

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