Landeshauptstadt: Malern mit Quark und Blümchen
Nicht nur für Ökofreaks: Hanna und Martin Link betreiben in Potsdam den ersten Laden für Naturfarben
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Wenn Martin Link über seine Farben redet, ist schnell klar: Es geht dabei nicht um das simple Öffnen großer Eimer, um einen effektiven, schnellen Anstrich. Das Gestalten mit Farben, mit vielerlei Materialien, ist für ihn eine sinnliche Angelegenheit. So sinnlich wie die Beschäftigung mit einem Lebensmittel. Streng genommen sind es auch welche, denn außer in der Natur ist der Mensch ständig von Böden und Wandoberflächen, Farben und Putzen umgeben, mit denen er lebt. Und die Naturfarben aus dem kleinen Handel von Hanna und Martin Link könnte man – ganz im Sinne – sogar gefahrlos verspeisen.
Vor einem Jahr eröffnete das Ehepaar Link einen Laden, in dem es fast alles gibt, was man für Naturfarben braucht. Zudem Reinigungs- und Pflegeprodukte, sogar ein kleines Sortiment von Wollteppich-Auslegewaren, aus Schafwolle und Ziegenhaar. Die Inhaber wollen dafür sensibilisieren, dass Wandgestaltung im weitesten Sinne auch ohne Erdöl, ohne Dispersionsfarbe eimerweise aus dem Baumarkt, möglich ist. „Für das Grundrezept Naturfarbe braucht man Marmormehl, Magerquark, Kreide und Borax, das gibt es in der Apotheke. Alles vermengen“, sagt Martin Link, seine beiden erhobenen Hände greifen dabei in die Luft, kneten einen imaginären Teig.
„Bei uns kaufen aber längst nicht nur die sogenannten Ökofreaks, sondern auch viele Ästheten“, sagt Hanna Link. Man dürfe nur keine Angst davor haben. „Viele seufzen – ach Gott, wir müssen ja noch streichen“, sagt sie. Dabei könne das so viel Spaß machen. Auch Kinder können gefahrlos helfen, ihr eigenes Zimmer mit Naturfarben zu gestalten. Und so mancher Allergiker zähle zu ihren Kunden, sagt Hanna Link. Die landeten häufig nach einem langen Leidensweg beim Baubiologen – und dann auch bei Naturfarben und bei den Links. Denn alkalische Kalkfarben trockneten die Wand aus und verhinderten Schimmelbefall, erklärt Martin Link.
Link ist von Hause aus Lehm- und Kalkbauer. Ökologische Lehm- und Kalkputze, wasserfester Tadelakt, der aussieht wie Marmorimitat, das kann Martin Link verarbeiten. Vor zwei Jahren zogen er und seine Frau von Landau am Bodensee nach Potsdam, und als ein Raum im Souterrain ihres Mietshauses frei wurde, richteten sie dort ihren eigenen Laden für Naturfarben ein, nur wenige Quadratmeter unter historischer Preußischer Kappendecke. Auf den ersten Blick sieht es aus wie in einem Reformladen, nur dass in den kleinen und größeren Säcken aus braunem Packpapier kein Roggenmehl, sondern Marmormehl steckt. Und weitere Grundlagen für Kalk- und Lehmfarben, für Putze, und vor allem Pigmente. In kleinen Dosen leuchtet Spinell-Gelb, Umbra-Grün, zahlreiche Grundfarben, die nach Bedarf gemischt werden können. Auch winzige Portionen kann man hier kaufen, auf Wunsch zu Hause anrühren und ausprobieren. Es sei denn, der Kunde findet bereits im Laden auf einer Mustertafel, was ihm gefällt. Auch Anfassen ist wichtig und erwünscht: Tadelakt, der antike, marokkanische Kalkputz, besitzt seine ganz eigenen haptischen Eigenschaften, glatt und kühl und doch leicht in sich strukturiert. „Funktioniert wunderbar in Küche und Bad, statt Fliesen“, sagt Martin Link. Das Material leuchte in jeder Wunschfarbe, jahrhundertelang. Zwei glänzende Messing-Waschbecken stehen zwischen den Regalen, Dekoration und Inspiration, aber auch zum Verkauf.
Dass Naturfaben kein neuer Trend sind, zeige sich auch darin, dass man sie beispielsweise in alten Basiliken findet. „Die Wandgemälde sehen ja immer noch schön aus“, sagt Hanna Link. Restauratoren der Potsdamer Schlösserstiftung hätten sich bei ihnen bereits Pröbchen geholt.
Bei Naturfaben Postdam gibt es Mengen für kleinere Projekte oder gleich ein ganzes Haus. Es gibt Beratung und Anleitung zum Umgang mit den Materialien. Bei Bedarf macht Hanna Link Hausbesuche und entwickelt vor Ort Ideen zur Gestaltung. „Ich bin eher die Designerin, mein Mann ist der Praktiker und Materialspezialist“, sagt Hanna Link.
Ob Naturfarben deshalb teuer sind? Beide verneinen das vehement. 79 Euro kostet der 10-Liter Eimer fertig angerührter Kalkfarbe, der für etwa 100 Quadratmeter reichen soll. Und längst seien die modernen Naturfarben verbraucherfreundlich – mit zweimal streichen sei es getan. Es gebe kein Abriebverhalten, gefahrlos kann man sich an eine weiß gekalkte Wand lehnen.
Für ganz Kreative und romantisch Veranlagte finden sich Eimerweise getrocknete Blüten, Kornbulmen, Lavendel, Klatschmohn. In die frisch aufgetragene Farbe gedrückt, ergebe das tolle Effekte, ähnlich wie Japanpapier, sagt Hanna Link. Es gibt so einiges, was allein durch exotische Namensgebung auffällt: Punisches Wachs und schwarze Seife, ebenso Gläschen mit Perlglanzgold und Bronzepigmenten für einen schönen Schein. Das Holzpflegemittel Marseiller Seife in kleinen Tütchen duftet nach Kräutern – eine Mischung aus Kindheitserinnerungen und Urlaub in der Provence.
Naturfarben Potsdam, Clara-Zetkin-Straße 31
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