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Landeshauptstadt: „Man hat seine Kumpels hier“

Zur Weihnachtsfeier im Obdachlosenheim kommt sogar noch mancher Ehemalige

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Bettina Hildebrandt hat schon vor Jahren einmal Weihnachten im Potsdamer Obdachlosenheim gefeiert. Sie findet es freundlich hier, könnte sich aber durchaus etwas Besseres vorstellen. „Als die Eltern noch lebten“, schwärmt sie, „da ist Weihnachten etwas ganz anderes gewesen. Zu Hause mit Weihnachtsbaum und Festessen.“ Die kleine schmächtige Frau hat schon Jahre der Obdachlosigkeit hinter sich, war mit ihrem früheren Lebensgefährten sogar zeitweise ganz ohne ein Dach über dem Kopf unterwegs und erinnert sich an ein Weihnachten „auf der Platte“ gar nicht gern. Man sieht richtig, wie es sie innerlich schüttelt. Doch bei der diesjährigen Weihnachtsfeier der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im großen Café des Sozialdorfes Lerchensteig strahlt sie Optimismus aus. Nächstes Jahr hat sie hoffentlich wieder ihren eigen Baum, denn mit dem jetzigen Lebensgefährten soll im Januar ein eigenes Heim in der Nähe von Beelitz bezogen werden. Es handelt sich um betreutes Wohnen, dadurch will sie es wieder packen.

Uwe Zielesch scheint es dagegen schon geschafft zu haben. „Ich bin eingeladen worden“, sagt er, „obwohl ich hier schon raus bin. Aber man hat seine Kumpels und Freunde hier und die besuche ich immer noch gern.“ Der Weg von Uwe hat einige Kurven und Ecken, eine gescheiterte Ehe, Gefängnis, vier Jahre Obdachlosigkeit. Mit seinem Beruf als Einrichter von Dreh-, Fräs- und Schleifmaschinen konnte er nichts mehr anfangen, also wurde er Gebäudereiniger. Er habe sogar seinen Meister gemacht, sagt er stolz. Bis zu einer Festanstellung reichte es offenbar nicht. Aber: „Wenn jemand gebraucht wird, rufen die mich immer wieder an.“ Er wohne jetzt bei seiner Verlobten. Marina Zabel sitzt neben ihm, hat sich in Schale geworfen und strahlt. Na klar, gibt es zu Hause einen Weihnachtsbaum, sagt sie. Und ein Geschenk hat sie auch schon gekauft. „Das gehört doch dazu.“ Wünsche fürs neue Jahr? Martina zählt wie aus der Pistole geschossen auf: Gesundheit, gute Laune und den Humor behalten.

Karl-Heinz Müller klammert sich geradezu an sein Obdach im Lerchensteig, in eine Pflegeeinrichtung will er nicht trotz des Schlaganfalls. Die linke Seite ist noch immer leicht gelähmt. „Da drüben“, sagt er und zeigt über den Tisch, „das sind meine beiden Freunde.“ Er ist froh, dass er in dieser gemütlichen Runde sitzen und sich das Grillfleisch schmecken lassen kann. Mietschulden haben ihn obdachlos werden lassen und es sieht nicht so aus, als ob er noch einmal eine neue Chance bekommt.

Jedes Jahr sorgt die AWO zusammen mit Sponsoren dafür, dass es auch im Obdachlosenheim eine fröhliche Weihnachtsfeier gibt. Auch Potsdams Oberbürgermeister hat ein Geschenk mitgebracht, für 500 Euro wurden ein Kühlschrank und ein Fernseher gekauft. Jedes Jahr werden Kaffee und Kuchen und etwas Kräftiges aufgetischt und alle Jahre wieder gibt es auch ein Kulturprogramm durch Kinder aus Fahrland, einen Geschichtenerzähler und die Big Beat Boys. Die sind im Lerchensteig super beliebt und die Heimbewohner bestehen darauf, dass sie den flotten Ton zur Weihnachtsfeier machen. Und kein anderer.

Im Moment sind alle 80 Plätze und sogar die zehn Notplätze im Heim belegt. Man halte aber zusätzliche Betten in einem Nachbarhaus bereit, denn ob und wie viel Obdachlose Heiligabend noch vor der Tür stehen, wisse man nie, sagt Angela Basekow, Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbandes. Abgewiesen werde jedenfalls niemand.

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