Landeshauptstadt: „Man hätte das nicht den Privaten überlassen können“
Baudezernent Matthias Klipp über die nahezu abgeschlossene Sanierung des Holländischen Viertels, die neuen Bewohner und wegfallende Parkplätze
Stand:
Herr Klipp, man hört, Sie bauen sich ein Haus am Bertiniweg. Wäre das Holländische Viertel nichts für Sie gewesen?
Wir haben tatsächlich schon überlegt, ein Bestandsobjekt zu erwerben. Wir haben uns zum Beispiel für eines der Häuser in der Alexandrowka interessiert, aber das war viel zu teuer. Zudem möchte meine Frau einen Garten. Und ich bevorzuge auch eher ruhige Gegenden.
Ruhig ist es im Holländischen Viertel nicht, zumindest nicht mehr. Die Sanierung ist dort fast abgeschlossen...
Ja, die letzten beiden Häuser in der Kurfürstenstraße, die lange Zeit im Angebot waren, sind jetzt im Bau. Dann ist die Stadterneuerung im Bestand abgeschlossen. Es gibt noch wenige Neubauvorhaben: der Wiederaufbau der Holländerhäuser neben der Französischen Kirche und zwei Baulücken in der Gutenbergstraße. Ein Grundstück davon ist im Treuhandvermögen, da werden wir eine Ausschreibung veranlassen.
Mit welchen Vorgaben?
Das Vorderhaus muss nach historischem Vorbild wiederaufgebaut werden, das ist uns an anderer Stelle ja auch schon sehr gut gelungen. Wenn man heute auf dem Bassinplatz steht, kann man ja eigentlich nicht mehr erkennen, was sanierter Altbau und was Neubau ist. Das ist auch eine tolle Leistung der Denkmalpflege. Es wird ja immer über die Potsdamer Mitte, die Alte Fahrt und die Leitbauten gesprochen, aber was hier im Holländischen Viertel an wirklich toller Wiederherstellung gelaufen ist, ist ebenso bemerkenswert.
1992 hieß es, 75 Prozent der Häuser müssten saniert werden. Ist das so geschehen?
Es wurden sogar rund 80 Prozent saniert. Auch die Häuser, die von vorne noch ganz in Ordnung aussahen, waren stark sanierungsbedürftig. Bei einem Ziegelhaus sieht man den Verfall nicht auf den ersten Blick, weil der Putz nicht abfallen kann. Aber der Leerstand zeigt, wie es um die Häuser stand. 1992 standen 42 Prozent der Häuser komplett leer, weitere Häuser zum Teil. Einiges war aber schon zu DDR-Zeiten saniert worden, da musste nur die Technik nachgerüstet werden.
Damals war geplant, 200 Wohnungen zusätzlich zu schaffen. Ist das gelungen?
Ja, das ist gelungen, sogar 460 zusätzliche Wohnungen sind entstanden.
Anfang der 90er-Jahre wurde eine Statistik über die Bewohner des Holländischen Viertels gemacht. Zum Beispiel gab es 31 Prozent Kinder und 15 Prozent Arbeitslose. Gibt es solche Daten auch für die heutigen Bewohner? Hat sich das Viertel verändert?
Wir haben es heute mit einer weitgehend anderen Bewohnerschaft zu tun, als es 1990 der Fall war. Einige wenige haben es geschafft zu bleiben. Ansonsten hat das stattgefunden, was in allen neuen Bundesländern im Zuge der Rückübertragung von Alteigentum stattgefunden hat: Die Häuser sind überwiegend auf den Markt gekommen. Die meisten Eigentümer der Häuser im Holländischen Viertel wohnen heute selbst darin.
Weiß man denn, wie viele Menschen von damals noch da sind?
Da gibt es keine genauen Daten, daher ist es schwer, das nachzuvollziehen. Aber das Thema Verdrängung ist in diesem Fall auch relativ zu sehen, weil an vielen Stellen niemand in den Häusern wohnte, der hätte ausziehen müssen. Deshalb wurde damals auch darauf verzichtet, eine Milieuschutzsatzung zu erlassen.
Was ist sonst noch passiert – auch die Straßen haben sich ja verändert?
Ein gutes Beispiel ist der Platz vor dem Nauener Tor. 1990 war das eine Verkehrsinsel, da konnte man mit dem Auto wie am Arc de Triomphe in Paris immer drumherumfahren. Manche meinen bis heute, es sei falsch gewesen, die Nord-Süd-Trasse entlang der Friedrich-Ebert-Straße aus der Innenstadt raus zu nehmen und die Autofahrer zu zwingen, um die Altstadt herumzufahren. Auch der Bassinplatz hat sich sehr zum Positiven verändert, zudem wurden auch die Straßen, insbesondere die Mittelstraße, wieder nach historischem Vorbild gestaltet. Das Ärgerliche ist nur, dass man davon kaum etwas sieht.
Wie meinen Sie das?
Die Straße steht ja voller Blech. Wir werden ein neues Innenstadtverkehrskonzept vorlegen, und da wird die Parksituation im Holländischen Viertel sicherlich noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Ich denke da zum Beispiel eben an die Mittelstraße.
Die Mittelstraße ohne Parkplätze – da wird der Aufschrei groß sein...
Ja, aber ich höre auch jeden Tag die anderen Schreie, von Leuten, die sagen, man kommt da überhaupt nicht durch oder wie das aussieht. Die Untere Denkmalschutzbehörde hat dazu auch eine ganz klare Meinung. Das werden wir noch miteinander diskutieren. Es gibt inzwischen das neue Parkhaus direkt am Rand des Holländischen Viertels. Dieser alte Reflex, dass die Geschäfte nur funktionieren, wenn es vor der Tür Parkplätze gibt, ist so nicht aufrechtzuerhalten.
Dann werfen wir noch einen Blick auf ein anderes Sanierungsgebiet, die Potsdamer Mitte. Wie ist da der Stand?
In der Potsdamer Mitte sind wir in den letzten vier Jahren auch wirklich sensationell gut vorangekommen. Die Eröffnung des Landtags in Form des Stadtschlosses war die entscheidende Investition, die das Umfeld auch prägen wird. Dieses Gebäude entfaltet eine derartige Raumwirkung und Strahlkraft auf das Umfeld, das hätte selbst ich mir nicht vorstellen können – und ich habe wahrscheinlich eher zu der optimistischen Fraktion gehört. Und dass das Plattner-Museum in den Palast Barberini einzieht, ist ein absoluter Glücksfall für die Potsdamer Mitte, die beste Nutzung, die man sich vorstellen kann. Da wird man 2014 auch einen deutlichen Baufortschritt sehen, wenn die mit der Gründung der Kellersohle fertig sind, geht der Hochbau sehr schnell. Das macht total Lust, jetzt nicht auf die Bremse zu treten, sondern zügig weiterzumachen. Wir können jetzt den Rückenwind nutzen, den wir momentan in der Stadtentwicklung durch die Fertigstellung des Landtages und durch die wunderbaren Entscheidungen für die Alte Fahrt haben. Es wird jetzt darauf ankommen, dass mit dem Land auch Kontinuität vereinbart wird.
Sie spielen auf die Fachhochschule an, die eigentlich längst abgerissen sein sollte?
Ja, da sind wir nicht im Plan, da stehen uns schwierige Gespräche mit dem Land bevor. Ebenfalls ein massives Problem haben wir mit dem Rechenzentrum, das die Entwicklung der Plantage behindert. Ich denke, dass es auch nicht im Interesse des Landes sein kann, die weiteren Investitionen zu verzögern.
Noch mal kurz zurück zum Alten Markt, was stellen Sie sich da für Gastronomie oder Geschäfte vor?
Wir werden einen starken gastronomischen Schwerpunkt auf dem Otto-Braun-Platz vorn an der Langen Brücke haben. Kondor Wessels hat verstanden, dass das eine attraktive Lage ist und plant da ein Restaurant und ein Café. Auch unten an der Uferpromenade wird es gastronomische Angebote geben, nicht zuletzt im Palast Barberini. Auf dem Platz selbst haben wir bereits jetzt im Potsdam Museum ein Café, das im Moment durch die Baumaßnahmen noch nicht so zur Geltung kommt, was sich aber sicherlich noch ändern wird. Und perspektivisch soll ja auch das Karree wiederaufgebaut werden, wo heute noch die FH steht. Das ist überhaupt die beste Lage mit Blick direkt auf das Fortunaportal und den Alten Markt. Besser geht es eigentlich gar nicht. Der Alte Markt wird ein absolutes Schmuckstück der Landeshauptstadt Potsdam werden.
Potsdam hat insgesamt acht Sanierungsgebiete. Wofür brauchen wir diese Gebiete?
Sehr viele Kommunen in den neuen Bundesländern haben die Möglichkeit von Sanierungsgebieten angewandt, weil die städtebaulichen Missstände gerade in den Kernbereichen der Städte ein weit verbreitetes Problem waren. Und ich denke, das ist überwiegend sehr erfolgreich angewendet worden. Hier ist mal ein Punkt vom Einigungsvertrag, der sich positiv ausgewirkt. Man muss sich fragen, wie sich die Gebiete entwickelt hätten, wenn sie nicht als Sanierungsgebiet festgelegt worden wären, keine Fördermittel eingesetzt worden wären, wenn es keine und Miet- und Belegungsbedingungen gegeben und man alles den privaten Eigentümern überlassen hätte, ohne jegliche Steuerungsmöglichkeit. In Berlin gab es mal eine neoliberale Phase der Stadtentwicklung, wo sich die öffentliche Hand weitgehend zurückgezogen hat. Das hat private Eigentümer in Berlin natürlich sehr gefreut, weil diese, nachdem der Immobilienmarkt wieder ein bisschen angezogen hat, das Geld ausschließlich privat verdienen, was sonst die öffentliche Hand über den einen oder anderen Ausgleichsbetrag hätte abschöpfen können. Das wird so offen nicht zugegeben, aber das war sicherlich ein Fehler. Diesen Fehler hat Potsdam nicht gemacht.
Die Fragen stellte Katharina Wiechers
- Gastronomie in Potsdam
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- Stadtentwicklung in Potsdam
- Wohnen in Berlin
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