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Homepage: „Man kann von Folter sprechen“ Menschenrechtler der Uni zum Fall El-Masri

Die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri durch den CIA im Jahr 2003 hat für hitzige Diskussionen über die Rolle des US-Geheimdienstes geführt. Doch was haben die Amerikaner mit El-Masri wirklich gemacht und wie ist die Entführung zu bewerten?

Die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri durch den CIA im Jahr 2003 hat für hitzige Diskussionen über die Rolle des US-Geheimdienstes geführt. Doch was haben die Amerikaner mit El-Masri wirklich gemacht und wie ist die Entführung zu bewerten? „Die Entführung El-Masris ist exemplarisch für das Randition-Programm der USA, Terrorverdächtige gefangen zu nehmen, zu entführen und in Gefängnisse dritter Staaten zu überführen“, erklärt Dominik Steiger in einer Vorlesung des Menschenrechtszentrums der Uni Potsdam.

Über 100 Betroffene soll es in Europa geben. El-Masri streitet nun als erster davon vor einem US-Zivilgericht um Entschädigung. Steiger stützt seine Angaben auf die Anklageschrift El-Masris. „Alles, was El-Masri bisher behauptet hat, ist von deutschen Behörden überprüft worden und unbestritten“, so Steiger. Demnach wurde El-Masri Ende 2003 an der Grenze Mazedoniens von dortigen Sicherheitskräften verhaftet und drei Wochen lang in einem Hotelzimmer festgehalten. Dann haben ihn Mitarbeiter der CIA übernommen und an einem Flughafen geschlagen und misshandelt. Während der Prozedur wurden Fotos gemacht.

Anschließend wurde er betäubt und nach Afghanistan geflogen. Dort kam er für Monate in ein Gefängnis ohne frisches Wasser. Das Essen war mit Sand oder Insekten verschmutzt. Sonnenlicht hat El-Masri vier Monate lang nicht gesehen, mit niemandem außer zum Verhör gesprochen. Geprügelt wurde er weiterhin, Elektroschocks gab es auch. Zudem wurde sein Kopf in verunreinigtes Wasser getaucht, um Aussage zu erpressen. Erst nach einem Hungerstreik bekam El-Masri besseres Essen. Als er weiter nichts aß, bekam er durch einen Schlauch in der Nase Flüssigkeit zugeführt. El-Masri litt starke Schmerzen. Schließlich verloren die Gefängniswärter das Interesse an ihm und setzten ihn in Albanien aus.

Ist das Folter? Der Laie braucht nicht lange zu überlegen. Der Jurist nimmt es genauer. Ausschlaggebend ist der internationale Pakt über Menschen- und Bürgerrechte von 1977. Den haben auch die USA zum großen Teil unterschrieben. Lediglich das Anrufungsrecht für Einzelpersonen erkennen die USA nicht an. Weshalb El-Masri nicht selbst sondern nur Deutschland vor dem Menschenrechtsausschuss klagen kann. Bislang hat noch nie ein Staat einen anderen vor den Ausschuss gebracht.

Die Garantien des Paktes sind aber bindend. Folter und Misshandlungen sind ausdrücklich verboten. Zudem darf ein Gefangener nicht willkürlich festgenommen oder in Haft gesetzt werden. Jeder Gefangene ist mit Achtung zu behandeln. Dagegen haben die USA eindeutig verstoßen. Willkürlich war seine Festnahme auch, da niemand El-Masri sagte, warum er verhaftet wurde. Haftbefehle, einen Anwalt oder Richter hat er nie gesehen. Aber wurde er auch gefoltert? Jeder einzelne Teil der Behandlung El-Masris lässt sich als unmenschlich und grausam definieren. Nur da die Juristen für den Tatbestand der Folter sehr hohe Maßstäbe ansetzen, fällt der Beweis dafür schwer. Präzedenzfälle gibt es einige. Allerdings gibt es für El-Masri nur seine persönliche Aussage als Beweis. Keine der Einzeltaten alleine lässt sich deshalb eindeutig als Folter im juristischen Sinne fassen. Erst die Summe aller Taten bringt die USA in Bedrängnis.

Da El-Masri laut eigener Aussage aber jeden Lebenswillen verloren hatte und durch seinen Hungerstreik sogar sterben wollte, bekommen die Menschenrechtler den Nachweis, den sie suchen. „Also litt er so große seelische Schmerzen, dass wir von Folter sprechen können“, bilanziert Steiger. Der Menschenrechtsausschuss kann sich diesem Urteil mangels Befugnis nicht anschließen. Aber immerhin könnte die Untersuchung El-Masri in seinem Zivilprozess helfen. „Ich persönlich räume seiner Klage gute Chancen ein“, sagt Steiger. Bodo Baumert

Bodo Baumert

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