Landeshauptstadt: Manager für Schulen gesucht
Seit zwei Jahren ist an der Fontane-Oberschule die Stelle der Primarstufenleitung vakant. Bis 2017 werden landesweit mehr als 100 Führungskräfte an Schulen gesucht. Doch der Job ist für viele nicht attraktiv
Stand:
Um Chefposten an Schulen reißen sich die wenigsten. Die Fontane-Schule in der Waldstadt sucht seit zwei Jahren jemanden, der die Primarstufe leitet. Auf die letzte Stellenausschreibung im vergangenen Jahr habe sich nur eine Kandidatin beworben, so der zuständige Schulrat Eckhard Dörnbrack. Diese habe allerdings als Sonderschullehrerin nicht die Laufbahn-Voraussetzungen erfüllt. Aus dem Kollegium wollte keiner den Funktionsposten übernehmen, sagt Schulleiterin Petra Siewert. Zu viel Arbeit, vermutet sie. So muss sie seit zwei Jahren das Aufgabenfeld mitbewältigen. Am Limit sei das oft, sagt Siewert. Immerhin: Im zweiten Anlauf habe man nun jemanden gefunden, der die Stelle ab Sommer kommissarisch übernehmen werde, sagt Dörnbrack.
Die Fontane-Oberschule ist nur ein Beispiel dafür, dass Brandenburg derzeit händeringend nach Schulleitern sucht. Dabei ist die Situation in Potsdam noch entspannt. Alle anderen Schulleiterstellen seien besetzt, so Dörnbrack. Jenseits der Landeshauptstadt sehe es oft anders aus. Wie viele Stellen zu besetzen sind, weiß das Bildungsministerium allerdings nicht. Im kommenden Schuljahr werden es laut einer Statistik 40 Stellen sein. Bis 2017 werden aufgrund von Pensionierungen jährlich zwischen 30 und 40 Funktionsposten vakant sein – die meisten davon an Grundschulen.
Doch Brandenburg steht mit dem Problem nicht allein da. In Berlin sind mehr als 60 Stellen unbesetzt, in Nordrhein-Westfalen fehlt an jeder achten Schule der Rektor. Insgesamt sind an deutschen Schulen mehr als 1000 Chefposten vakant. Dass die Suche nach geeignetem Personal immer schwieriger wird, wundert Dagmar Graefe vom Brandenburger Pädagogenverband nicht: „Vor allem im Förder- und Grundschulbereich gibt es so eine geringe Anrechnung für die Tätigkeit eines Schulleiters oder des Stellvertreters. Sie müssen überwiegend unterrichten und nebenbei den Leitungsposten übernehmen.“
Bei Grundschullehrern rechnet sich außerdem der Aufstieg finanziell kaum. Wenn sie eine Schule mit weniger als 360 Kindern leiten, gehören sie in die Besoldungsgruppe A13 und verdienen nach zehn Dienstjahren rund 3600 Euro brutto. Das sind rund nur 400 Euro brutto mehr, als ein Grundschullehrer nach zehn Jahren verdient. Als Stellvertreter bekommt ein Lehrer lediglich eine Zulage von 150,65 Euro monatlich. Netto bleibt davon kaum etwas übrig. „Stellvertreter an der Grundschule zu sein, ist ein sehr arbeitsintensives Feld“, sagt Graefe vom Pädagogenverband. Die Tätigkeit werde aber nicht honoriert und Ausgleichsstunden gebe es auch nicht.
Gesellschaftliche Anerkennung genießen Schulleiter ebenso wenig. Laut einer Forsa-Umfrage meint lediglich ein Viertel der Bundesbürger, dass Schulleiter ein hohes Ansehen haben. Weniger als ein Drittel hält Schulleiter ausreichend für ihre Aufgaben vorbereitet. Es fehle an berufsbegleitender Qualifizierung und einem Fortbildungsbudget, damit Personalentwicklung überhaupt machbar sei, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung.
„Eigentlich bräuchte man für die Schulen einen Manager“, sagt Dagmar Graefe. Zu viele zusätzliche Aufgaben hätten Schulleiter in den vergangenen Jahren aufgebürdet bekommen. „Und es werden in den nächsten Jahren noch mehr werden.“ So gebe es keine klare Regelung, was ein Schulleiter zu tun habe. Allein der in diesem Jahr neu geschaffene Vertretungspool sei „ein Haufen Aufwand“, so Graefe. Es müssten Vertretungslehrer gesucht, die Formalitäten der Einstellung beachtet und Budgets eingehalten werden. „Es ist unheimlich viel Verwaltungsaufwand“, sagt die Schulleiterin des Helmholtz-Gymnasiums, Grit Steinbuch. Auch sie weiß um die Problematik der fehlenden Schulleiter. Mehr als in Potsdam sei es vor allem im flachen Land schwierig, Personal zu finden. „Schulleiter zu sein ist für viele unattraktiv“, sagt Steinbuch, „weil gleichzeitig so viel Unterricht geleistet werden muss“.
Von Gestaltung und Profilierung einer Schule ist da kaum mehr die Rede. Das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), einem der Projektträger der Pisa-Studie, hat gerade in sechs Bundesländern, darunter Brandenburg, Leiter von Grundschulen und Gymnasien nach ihren Aufgaben befragt. Viele antworteten, dass sie zu der inhaltlichen Weiterentwicklung ihrer Schule gar nicht kommen, weil die Zeit fehlt.
Das Nachbarland Berlin zieht nun erste Konsequenzen aus dem Dilemma. Laut Koalitionsvertrag von SPD und CDU sollen Schulleitungen von administrativen Aufgaben entlastet werden. Dazu sollen 24 Verwaltungsleiter in den Schulen eingesetzt werden, pro Bezirk je zwei.
Verbandssprecherin Dagmar Graefe hält dieses Modell auch für Brandenburg für geeignet. Und auch Helmholtz-Schulleiterin Grit Steinbuch findet: „Es gäbe genug Aufgaben.“ Statistiken und Evaluationen für das Bildungsministerium oder die Vor- und Nachbereitung von Projektwochen fallen ihr spontan als Arbeitsfelder ein. Das Berliner Modell sieht sie dennoch auch kritisch. „Wie sollen die Verwaltungsleiter verschiedene Schulen betreuen?“, fragt Steinbuch. „Man müsste sich in jede Schule und in jedes Profil neu eindenken.“
„Theoretisch wäre das ein Modell der Entlastung“, sagt Stephan Breiding vom Brandenburger Bildungsministerium. Bei sehr großen Schulen könnte das sinnvoll sein, meint der Pressesprecher. Allerdings trage die Kommune die Kosten für solches Personal. Die Stadt Potsdam hat dafür auch in absehbarer Zukunft kein Geld übrig: Angesichts der in den nächsten Jahren nötigen großen Investitionen für den Neubau von Schulen gebe es derzeit keine Planungen, den Schulen zusätzliches Personal zu stellen, sagt die Stadtsprecherin Christine Weber.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: