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Passt nicht in jedes Wohnzimmer. Die Meisterin Akane Teshigahara vor einer ihrer Ikebana-Kreationen bei ihrem Besuch in Potsdam.

© Andreas Klaer

Ikebana-Ausstellung: Manchmal reicht ein Bambusrohr

Ikebana, die japanische Kunst Blumen zu arrangieren, war am Wochenende in Potsdam zu bewundern

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Das Licht im Saal des Hans Otto Theaters ist gedimmt. Nur noch der türkisfarbene Kimono von Akane Teshigahara leuchtet in der Mitte der Bühne. Klassische Musik und japanische Trommelklänge begleiten das Schauspiel. Teshigahara beginnt mit einem einfachen Bambusrohr. Mehrere in Schwarz gekleidete Helfer spalten das Bambusrohr mehrfach mit einem Messer und befestigen die einzelnen Teile mit einer Bohrmaschine scheinbar wahllos aneinander. Anschließend reichen sie Teshigahara nacheinander verschiedene Blumen und Materialien, die sie kunstvoll in dem Rahmen arrangiert. Auf Japanisch erklärt sie, welche Materialien sie verwendet und wie sie diese anordnet. Eine Dolmetscherin übersetzt ins Englische. Innerhalb weniger Minuten ist aus wenig mehr als einem einzigen Bambusrohr ein Gesamtkunstwerk entstanden, das die ganze Bühnenfläche einnimmt. Die aufwendige Kunst, die Teshigahara präsentiert, heißt Ikebana.

Im Rahmen der 8. Europäischen Regionalkonferenz hatte der Verein Ikebana International Berlin e.V. unter dem Motto „Freundschaft durch Blumen“ am Samstag ins Hans Otto Theater geladen. Rund 400 Gäste, darunter 278 Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer aus aller Welt, sind gekommen, um die traditionelle japanische Kunstform des Blumenarrangements durch die Meisterin Akane Teshigahara zu erleben. In einer anderthalbstündigen Vorführung gestaltet sie insgesamt neun florale Kunstwerke in den unterschiedlichsten Formen und Farben. Zu ihren Materialien gehören neben Sonnenblumen, Agavenblättern oder Artischocken auch gefärbte Korallen, Holzstämme oder Efeu. In ihre Werke integriert Teshigahara immer wieder die Farben der deutschen Flagge. Diese sollen vor allem Eigenschaften der Deutschen symbolisieren, die die Japanerin besonders schätzt: Stärke und harte Arbeit. Doch die aufwendigen Blumengestecke gestaltet sie nicht nur für sich selbst: „Mit meinen Arrangements möchte ich vor allem andere Menschen glücklich machen. Ikebana hilft mir oft dabei, all die schrecklichen Dinge auf der Welt zu vergessen“, sagt Teshigahara. Ihre und andere Werke der japanischen Blumenkunst waren am Wochenende unter dem Motto „Leben ist Farbe – Farbe ist Leben“ im Seminaris Seehotel Potsdam ausgestellt. Meister verschiedener Ikebana-Schulen gaben zudem durch mehrere Kurzvorführungen Einblicke in diese faszinierende Kunstform.

Schon Monate im Voraus plante der Verein die Arrangements und bereitete unzählige Materialien vor, die unter anderem von der Baum und Park Landschaftsbau GmbH Potsdam für die Vorführung zur Verfügung gestellt wurden. Einige brachte Teshigahara auch aus ihrem eigenen Atelier mit. Da sie vor allem mit unbeständigen Naturmaterialien wie Bambus arbeitet, kann es jedoch schon mal vorkommen, dass auf der Bühne improvisiert werden muss und einzelne Elemente kurzfristig weggelassen werden. Grund dafür ist die Asymmetrie der Natur, sagt Ramona Becker, Vizepräsidentin des Vereins Ikebana International Berlin e.V. und Kongressleiterin.

Laut Becker finde Ikebana ihren Ursprung im sechsten Jahrhundert, als den buddhistischen Göttern im Tempel regelmäßig Opfergaben in Form von Blumenvasen dargelegt wurden. Vor allem die sogenannten Samurai-Kämpfer gelten als bekannte Vertreter der Tradition. Die Kunstform erfordert Visionen, Vorstellungskraft und Organisationstalent. Auf diese Weise sollten die Krieger vor allem Management- und Führungsqualitäten entwickeln und lernen, im Krieg schnell Entscheidungen zu treffen. „Gleichzeitig hat Ikebana aber auch eine meditative Wirkung und ist ein toller Ausgleich“, sagt Ramona Becker. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Ikebana zunehmend auch von Frauen praktiziert. Neben einigen anderen Kunstformen wie der Kalligraphie gehörte Ikebana zur Grundausbildung der Mädchen, die somit auf die Heirat vorbereitet werden sollten. Auch in einigen deutschen Schulen werde Ikebana bereits in den Kunstunterricht integriert. Laut Becker sei Ikebana im Gegensatz zum schulischen Frontalunterricht ideal, um den Kindern Fähigkeiten wie Ausdauer und Konzentration auf eine freudvolle Art näher zu bringen. „Ähnlich wie bei der Papierfaltkunst Origami können die Kinder etwas mit nach Hause nehmen, das sie selbst geschaffen haben. Somit lernen sie, länger bei einer Sache zu bleiben“, erklärt Becker.

Dabeibleiben – das ist auch den Gästen nicht schwer gefallen. Mit ihrer Kunst holte Akane Teshigahara die japanische Kultur für 90 Minuten nach Potsdam. Ein bis zum letzten Platz besuchter Saal im Hans Otto Theater applaudierte und bewunderte die auf schwarzen Stehtischen zur Schau gestellten Werke noch lange nach der Vorführung.

Mareike-Vic Schreiber

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