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40 Jahre hautnah dabei. Ulrike Schröder, oben beim PNN-Gespräch, mit ihrem Mann Bernd Schröder 1972 bei Turbines Weihnachtsfeier (rechts oben), nach dem ersten DFB-Pokalsieg 2004 (darunter) und mit ihm und dem Champions-League-Pokal nach dem Triumph 2010 im spanischen Getafe (links).

© Manfred Thomas, privat

Von Michael Meyer: Manchmal zuckt der Fuß beim Zuschauen

Ulrike Schröder erlebte 40 Jahre Frauenfußball in Potsdam an der Seite ihres Mannes, des Turbine-Trainers Bernd Schröder

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Sie ist noch nie gegen einen Fußball getreten, doch die bislang 40-jährige Geschichte des derzeit vierfachen Deutschen Frauenfußball-Meisters und Champions-League-Gewinners Turbine Potsdam müsste ohne Ulrike Schröder wohl anders oder könnte gar nicht geschrieben werden. Die Frau des Turbine-Gründungsvaters und jahrzehntelangen Trainers Bernd Schröder hielt ihrem Mann stets den Rücken für sein Lebenswerk frei. „Ich kann nur sagen: Respekt. Sie hat alles mitgemacht“, so Potsdams Frauenfußball-Institution.

Als am 4. März 1971 Bernd Schröder erstmals in der Sporthalle neben dem heutigen Helmholtz-Gymnasium mit einer Schar fußballinteressierter Potsdamerinnen trainierte, war seine Frau noch weit entfernt – in Freiberg. Er hatte nach dem Studium im September 1968 seinen Job im damaligen Energiekombinat Potsdam angetreten und kam samstags/sonntags immer heim ins Erzgebirge, wo Schröders, die 1968 geheiratet hatten, noch ihren Hauptwohnsitz hatten. „Er hat mir am Wochenende nach diesem ersten Training von der neu gegründeten Frauenfußball-Mannschaft erzählt, und ich hatte keine Probleme damit, denn ich kannte die Fußball-Leidenschaft schon aus meinem Elternhaus“, erinnert sich Ulrike Schröder, die aus Dresden stammt und dort 1945 die Bombardierung der Stadt miterlebte, ehe die Familie zwei Jahre später zu den Großeltern nach Freiberg zog. Ihr Vater Hans Partzsch war selbst Fußball-Fan und begeisterte sich vor allem für Dynamo Dresden, besuchte aber auch Spiele Wissenschaft Freibergs, als sein Schwiegersohn dort im Tor stand. „Daher war es für mich normal, dass durch Bernd auch in unserer Familie der Fußball einen besonderen Platz hatte und dass mein Mann deshalb mehrmals in der Woche nach der Arbeit noch unterwegs war“, erzählt Ulrike Schröder. „Aber natürlich wusste damals noch niemand, wie lange und wie erfolgreich sich das Ganze entwickeln sollte.“ Eifersüchtig auf die vielen von ihrem Mann trainierten Frauen sei sie nie gewesen, „weil ich ihm immer vertraute und vertraue“.

Erst 1972 kam sie mit den Kindern Andrea und Thoralf ebenfalls nach Potsdam, wo die gelernte Maschinenbauzeichnerin als Sekretärin in einem Architekturbüro bis zur Vollendung ihres 60. Lebensjahres tätig war. „In den ersten Jahren hatte ich genug mit den Kindern zu tun, zumal wir hier oben keine Verwandten hatten“, erinnert sich Ulrike Schröder. „Die Familie musste für den Fußball natürlich Abstriche machen und auch zurückstecken, aber zu DDR-Zeiten waren die Wege bei Weitem nicht so weit wie mitunter heute, sodass Bernd meist nur am Tag des Spiels selbst unterwegs war.“

Daheim in der Brandenburger Vorstadt, wo die Schröders seit fast 40 Jahren in der gleichen Wohnung leben, drehten sich die Gespräche auch oft ums runde Leder, da sich Thoralf ebenfalls für Fußball interessiert. „Später, als die Zeit dazu da war, habe ich mich dann auch mehr und mehr mit Turbines Spielen beschäftigt“, erzählt Ulrike Schröder. Sie wurde Stammgast bei den Heimspielen im Karl-Liebknecht-Stadion und stand den Spielerinnen auch mal helfend zur Seite, wenn die als junge Mütter weiter dem runden Leder nachjagen wollten. Da kam es schon vor, dass sie beim Training mit auf die Kleinen an der Seitenlinie aufpasste oder einen Knirps bei sich zu Hause betreute, wenn ein Auswärtsspiel anstand und niemand für den Kleinen da war.

In die Fußball-Belange aber redete sie ihrem Mann nie hinein. „Dazu habe ich zu wenig Ahnung“, gibt die Rentnerin zu. Auch wenn der Trainer nach einem verlorenen Spiel geknickt nach Hause kam, „habe ich ihn immer einfach in Ruhe gelassen“, sagt sie. „Zum Glück ist das in letzter Zeit ja nicht mehr oft der Fall.“ Aber Ulrike Schröder weiß wohl, wie verzweifelt ein Trainer nach einer unerwarteten Niederlage sein kann. Als Turbine am 24. März 2002 im Halbfinale beim Hamburger SV durch ein 2:3 den schon sicher geglaubten erstmaligen Einzug ins DFB-Pokalfinale doch noch aus der Hand gab, saß sie gemeinsam mit dem damaligen Potsdamer Oberbürgermeister Matthias Platzeck auf der Trainerbank neben ihrem Mann, der untröstlich war und anschließend sogar mit Rücktrittsgedanken spiel- te. „Das war der bitterste Moment, den ich selbst miterlebt habe“, erklärt die Trainergattin. „Wenn man dann im Bus zurückfährt und es ist totenstill, dann bedrückt das schon sehr.“ Den schönsten Moment gab es am 20. Mai vergangenen Jahres, als Ulrike Schröder im Madrider Stadtteil Getafe hautnah verfolgte, wie Turbine im Elfmeterduell mit Olympique Lyon – nach zwei verschossenen Elfern eigentlich schon der Verlierer – doch noch durch ein 7:6 erster Champions-League-Sieger der Frauen wurde. „Das war der Höhepunkt, auch für Bernd“, weiß sie. Ihr Mann sei in den letzten Jahren ruhiger geworden, „während ich selbst während der Spiele innerlich immer aufgeregter werde“. Für Abwechslung vom Fußball sorgen daheim mittlerweile die Enkel Erik und Emma.

Immer nur passive Fußall-Zuschauerin war Ulrike Schröder allerdings auch nicht. „Wenn ich im Stadion sitze, zuckt bei bestimmten Szenen schon mein Bein, als wolle ich selbst schießen“, verrät sie. Mehr noch: Als ihrem Mann bei einem der Besuche bei seinen Eltern in Droyßig mal eine neue Kraftübung für das Training einfiel, „hat er die erst einmal gleich mit mir ausprobiert, um zu sehen, wie es klappen kann“, erinnert sie sich. Was ihr nicht schwer fiel, da sie in ihrer Kindheit und Jugend selbst geturnt und Handball gespielt hatte; später nahm sie zweimal innerhalb des damaligen Frauenübungsverbandes an DDR-Turn- und Sportfesten teil. Und als Bernd Schröder noch zu DDR-Zeiten für seine Spielerinnen Trainingsläufe mit Reifen plante, nähte seine Gattin aus Transportbändern entsprechende Geschirre zusammen. Mit dem Fußball, der daheim auf dem Kleiderschrank liegt, hat sie allerdings noch nie gespielt.

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