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Von Michael Meyer: Markenzeichen waren Tore aus 30 Metern

Natalja Bunduki aus Moldawien stieg 1994 mit Potsdam in die Bundesliga auf, war dort eine der ersten Ausländerinnen im Turbine-Team und für ihre Gewaltschüsse bekannt. Sie lebt heute mit deutschem Pass in Fahrland und arbeitet in Berlin

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Wenn sie Anlauf nahm, raunten die Ränge, und manche Torhüterin schien sich zu ducken. Schließlich galten Natalja Bundukis wuchtige 30-Meter-Freistöße als legendär. Die Moldawierin war ab 1994 gemeinsam mit der Russin Veronika Pimenova die erste ausländische Bundesliga-Spielerin Turbine Potsdams. Vorher hatte die Polin Janina Stalka anderthalb Jahre für Turbine in der Oberliga Nordost gekickt. Und Bunduki blieb – abgesehen von der Kosovarin Aferdita Podvorica, die auch nicht mehr aktiv, aber weiterhin für die 1. Mannschaft tätig ist – von allen Ausländerinnen am längsten beim Verein.

Natalja Bunduki war in ihrer Jugend Speerwerferin, ehe sie als 15-Jährige 1988 beim Klub Kordru in Moldawiens Hauptstadt Kischinjow (heute Chisinau) Fußball zu spielen begann. Anfang der 90er Jahre zog sie nach Moskau, wo sie zunächst mit Spartak, dann mit Russ Moskau in der 1. russischen Liga spielte, ehe ihr Weg sie an die Havel führte. „Ich war Anfang 1994 eigentlich von Russ zu SIM Moskau gewechselt, und der Verein hatte gerade einige Spielerinnen zum Probetraining nach Potsdam geschickt“, erinnert sich Bunduki. „Dann hat Schröder (der damals als Manager fungierende Bernd Schröder/d. Red.) auf der Mannschaftsliste von SIM auch meinen Namen gelesen und wollte mich testen. Ich hatte damals schon 50 Länderspiele für die Sowjetunion und deren Nachfolger GUS absolviert.“ Also kam die Kickerin im April 1994 zu Turbine in die Potsdamer Waldstadt, „und ich durfte gleich in der Abwehr spielen“, erzählt Bunduki, der der Anfang in Deutschland nicht leicht fiel. „Es war schwierig, nicht nur wegen der Sprache. Zum einen wurde hier mehr Kondition als in Moskau trainiert, zum anderen hatte ich dort schon als Profi gespielt und bekam es hier wieder mit Amateuren zu tun.“ Dennoch meisterten sie und Veronika Pimenova, die ebenfalls von SIM Moskau gekommen war, mit Turbine im dritten Anlauf des Vereins den Sprung in die damals noch aus zwei Staffeln bestehende Bundesliga.

Aus der musste sich Potsdam fortan nicht mehr verabschieden, obwohl die Zeiten nicht immer einfach waren. Als Aufstiegstrainer Frank Lange im November 1994 von Bernd Schröder gefeuert wurde und daraufhin vier wichtige Stammspielerinnen spontan Turbine den Rücken kehrten, war die Not groß – und Hilfe kam erneut aus dem Osten. Von ZSK Samara wechselten im Januar des folgenden Jahres Irina Grigorjewa, Tatjana Jegorowa und Kulistan Botaschowa in die Waldstadt, wofür der russische Verein damals 10 000 DM kassierte. Dass Turbine 1995 noch den Klassenerhalt schaffte, sei vor allem auch der Moldawierin zu verdanken, sagt heute Schröder, der seit 1997 wieder ununterbrochen Turbines Cheftrainer ist. „Bunduki war eine derjenigen Spielerinnen, die uns die Bundesliga gerettet haben, denn ohne sie wäre die russische Troika nicht nach Potsdam gekommen.“

Im Mai 1996 kehrten die Russinnen in die Heimat zurück – Natalja Bunduki aber blieb in Potsdam. „Ich bin ein Gewohnheitsmensch und hatte mich inzwischen an Deutschland gewöhnt“, begründet sie heute ihre Treue zu Potsdam, die sie mittlerweile auch schriftlich dokumentieren kann: 2010 wurde die heute 37-Jährige, die mit ihrem Mischlingshund „Dino“ jetzt in Fahrland wohnt, deutsche Staatsbürgerin, erhielt sie ihren deutschen Pass.

Mit Turbine spielte sich Natalja Bunduki in den folgenden Jahren in der Bundesliga in immer höhere Regionen. Von Platz sechs in den Anfangsjahren über die erfolgreiche Qualifikation für die ab 1997 eingleisige Bundesliga bis zu Rang vier und schließlich Platz zwei; damals schon mit den späteren deutschen Weltmeisterinnen Nadine Angerer, Conny Pohlers und Ariane Hingst. Der ganz große Erfolg blieb Bunduki aber versagt. Zu Potsdams ersten Glanzzeiten ab 2004 hatte sie den Verein bereits verlassen; im April 2002 kehrte sie Turbine den Rücken, obwohl sie erst am Saisonende aufhören wollte. Missverständnise wegen eines neuen Potsdamer Spielsystems, in dem die bislang von Bunduki eingenommene Liberoposition zur Disposition stand, führten zu einem Bruch, der mittlerweile gekittet ist.

„Ich denke heute gern an Turbine zurück, und Groll gibt es zwischen Schröder und mir auch nicht mehr“, sagt Natalja Bunduki heute. Nach einem halben Jahr ganz ohne Fußball kickte sie noch einmal mit zwischenzeitlichen Pausen für Tennis Borussia Berlin, ehe 2005 ganz Schluss war. „Ich konnte gesundheitlich nicht mehr auf höchstem Niveau spielen, außerdem habe ich da schon gearbeitet“, berichtet Bunduki, die da bereits einige Jahre bei einem privaten Schüler- und Behindertenfahrdienst in Berlin tätig war. Eine Arbeit, die sie immer noch ausübt „und die mir Spaß macht“, meint sie.

Die vielen Kilometer, die sie in ihrem Job täglich zwischen Kladow, Spandau und Zehlendorf pendelt, waren schließlich auch der Grund, 2009 in der Berliner Ü30-Liga – unter anderem mit den früheren Turbine-Spielerinnen Sybille Brüdgam und Michaela Schulz – aufzuhören, wo sie immer noch auf dem Kleinfeld in Gange war. „Es wurde mir einfach zu viel.“ Zwischenzeitlich hatte sie vor ein paar Jahren auch das Angebot, als Spielertrainerin in Moskau zu arbeiten. „Dann hätte ich aber meine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hier verloren, und das wollte ich nicht riskieren“, nennt Natalja Bunduki als Grund ihrer damaligen Absage. Um gleichzeitig einzuräumen: „Mal als Fußballtrainerin zu arbeiten wäre aber nicht schlecht – jetzt bin ich soweit.“ Der Fußball fehle ihr inzwischen. „Nicht das Spielen, aber das Teilhaben daran.“

Der Frauenfußball habe sich in den letzten zehn Jahren „in jeder Hinsicht weiterentwickelt – von der Schnelligkeit, Technik und Taktik her“, meint Natalja Bunduki. „Heute hätte ich es schwer, obwohl wir damals bei Turbine auch schon dreimal pro Tag hart trainierten.“ Als sie im Mai vergangenen Jahres Potsdams Champions-League-Sieg im Fernsehen verfolgte, habe sie sich sehr mit ihrem Ex-Verein gefreut. „Schließlich hatten wir acht gute Jahre zusammen.“ Wie viele Tore sie einst für Turbine erzielte, weiß sie heute nicht mehr. „Ich habe die nicht gezählt.“

Sehr gut erinnern aber kann sich Natalja Bunduki noch an ihr erstes offizielles Länderspiel. „Das war ein EM-Qualifikationsspiel 1991 in Moskau gegen Ungarn, das live im Fernsehen übertragen wurde. Bei dem habe ich zum 2:1-Sieg getroffen – mit einem Freistoßtor aus dreißig Metern.“ Grundlage ihrer Gewaltschüsse seien „eine gute Schusstechnik und viel Kraft in den Beinen“ gewesen, sagt sie. „Dreißig- Meter-Freistöße habe ich auch immer noch speziell trainiert. Die waren schon in Moskau mein Markenzeichen.“

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