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Treffen mit der Ufa-Diva: Marlenes Erbe

Ufa-Stars wie Marlene Dietrich, Harry Piel und Ilse Werner waren einst Gäste im Gut Schloss Golm – mittlerweile ist das Anwesen am Zernsee wieder Rückzugsort für bekannte Gesichter aus Film, Fernsehen und Politik. Am heutigen Freitag zeigt das Filmmuseum dort unter freiem Himmel „Der blaue Engel“

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An die erste Begegnung mit Marlene Dietrich erinnert sich Cora von dem Bottlenberg noch gut. 1961 war das, die Diva war in Berlin und hatte einen Auftritt im Titania-Palast. „Meine Eltern hatten Karten“, erzählt die Musikerin, die mit ihrer Partnerin Swetlana heute gemeinsam das Gut Schloss Golm betreibt und als Duo „Cora“ auf den Bühnen steht. Zu Marlene durfte sie damals als Kind zwar nicht mitkommen. Aber die Eltern brachten eine Langspielplatte nach Hause. „Ich habe sie bis heute“, sagt die Golmer Schlossherrin mit den kupferroten Locken: „Ich habe damals alle Lieder auswendig gelernt.“ Von dem Bottlenberg lässt den Blick von der Veranda über die Wiese schweifen, wo eine kleine Hochzeitsgesellschaft gerade am weiß gedeckten Tisch den Hauptgang serviert bekommt, und weiter hinten, zwischen den beiden uralten Riesenpappeln, sich der Blick auf den Zernsee weitet. „Ich bin die fesche Lola“, summt sie.

Am heutigen Freitag ist Marlenes legendäre Lola Lola zu Gast im Gut Schloss Golm: Unter freiem Himmel und bei freiem Eintritt zeigt das Filmmuseum um 21 Uhr den Filmklassiker „Der blaue Engel“. Es ist die dritte Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Land in Sicht“, mit der das derzeit wegen Brandschutzarbeiten geschlossene Museumskino durch Potsdams ländliche Ortsteile tourt – und Filme am authentischen Ort aufführt. Als Einstimmung lockt ab 18 Uhr ein Sonnenuntergangsmenü aus Marlene Dietrichs Lieblingsspeisen, gewählt nach ihrem Motto „Ick will wat Feinet“.

Dafür, dass Marlene seinerzeit tatsächlich im Schloss Golm aus- und einging, spricht einiges: Da wäre das Foto aus einem Album der Großmutter von Cora von dem Bottlenberg, der das Anwesen damals gehörte und die mit dem Filmstar befreundet war. Zu sehen ist das Bild heute im Gastraum des Restaurants: Marlene mit lässig-trägem Blick, Arm in Arm mit einer unbekannten blonden Frau. Letztere war ihre Privatsekretärin, wie die heutigen Golmer Schlossherrinnen irgendwann von einer Besucherin erfuhren, die sich als Marlenes Nichte entpuppte. „Wir ahnten nichts, sie war hier zu Gast und sprach uns auf das Foto an“, erzählt Cora von dem Bottlenberg.

Filmstars haben die Abschiedenheit und Idylle des Anwesens schon immer geliebt. Schloss Golm war einst Gästehaus der Ufa. In der Bottlenberg-Familie kursieren Erzählungen über den Besuch von Stummfilmstar Harry Piel („Sein größter Bluff“), der jungen Brigitte Horney oder Ilse Werner, die – gemeinsam mit Schauspielkollege Willy Fritsch – sogar ein halbes Jahr lang unter dem Dach des Hauses wohnte, nachdem sie bei Dreharbeiten in Babelsberg wegen des Weltkrieges evakuiert wurde. Ein Gästebuch aus der Zeit gibt es nicht, dafür aber das besagte Fotoalbum der Großmutter.

Es waren die Schwarz-Weiß-Fotos aus dieser denkwürdigen Zeit, die die heutigen Schlossbesitzerinnen nach dem Mauerfall zum Kauf des Anwesens, das nicht mehr der Familie gehörte, bewogen haben, erzählt Cora von dem Bottlenberg. Der Stern des gemeinsamen Popduos „Cora“ schien verglüht, die Sängerinnen stellten sich auf einen neuen Lebensabschnitt als Gastgeberinnen ein.

Und sie knüpften mit dem Haus, in dem zu DDR-Zeiten ein Kinderheim untergebracht war, an alte Zeiten an. Für die Einrichtung und die Gestaltung von Haus und dem weitläufigen Garten ließen sie sich von den alten Fotos inspirieren. In den 19 Jahren seit der Wiedereröffnung avancierte Gut Schloss Golm erneut zum Rückzugsort von bekannten Gesichtern aus Film, Fernsehen und Politik.

Zu den ersten Besuchern zählte TV-Moderator Alfred Biolek, erinnert sich Cora von dem Bottlenberg. „Total aufgeregt“ sei sie gewesen, als sie für den als Gourmet mit einer Kochshow bekannt gewordenen Biolek in der Küche stand. „Es hat ihm geschmeckt“, sagt sie. Biolek hinterließ auch zwei Rezepte – „krisensicher zuzubereiten“ –, die bis heute zur Karte des Hauses gehören: Rosa gebratene Entenbrust mit Preiselbeer-Sahne-Sauce und ein lauwarmes Apfelragout mit Krokanteis-Parfait.

Tatort-Kommissar Götz George fühlte sich hier wohl, Günther Jauch fing auf der Wiese Maikäfer für seine Kinder, Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen feierte im Garten nach der standesamtlichen Trauung mit Sophie Prinzessin von Isenburg im engen Familienkreis, Playboy Rolf Eden kommt öfter vorgefahren, Schauspieler wie Heike Makatsch oder Jürgen Vogel waren Gast, der TV-Choreograph Detlef Soost oder Vize-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) – „er kann einem so gut Politik erklären“. Nicht zu vergessen Schlagerstars von Roland Kaiser, Marianne Rosenberg – mit der die beiden Schlossherrinnen ihre Musikerkarriere als Background-Sängerinnen begannen – oder Ute Freudenberg. Selbst Christian Wulff (CDU) hat während seiner Zeit als Bundespräsident im Garten gesessen.

Auch als Filmkulisse ist das Anwesen, das jedes Jahr bis zu 80 Hochzeitsgesellschaften buchen, beliebt: Für die ZDF-Telenovela „Alisa - Folge Deinem Herzen“ wurde hier gedreht oder für das TV-Melodram „Seerosensommer“. Eigentlich also hätten die Bottlenbergs als Gastgeberinnen genug zu tun.

Und doch starteten sie vor zehn Jahren mit ihrer Musik neu durch. Überraschend und „ohne unser Zutun“, wie sie nur konstatieren können, wurde ein Song aus dem Jahr 1985 – „Amsterdam“ – mit mehr als zwei Jahrzehnten Verspätung zum Hit. „Für uns ist das ein großes Glück“, sagt Cora von dem Bottlenberg. 2003 standen die beiden Golmer Schlossherrinnen erstmals wieder auf der Bühne, heute sind sie gefragte Gäste, vor allem in den neuen Bundesländern.

Zehn „Cora“-Alben sind seitdem erschienen. Die neueste Scheibe – „Sommer auf dem Balkon“ – kommt in wenigen Tagen in den Handel. Im Schloss wird das Duo aber nicht singen, versichert Cora von dem Bottlenberg lachend: „Wir sind keine singenden Wirtinnen.“

„Der blaue Engel“, am heutigen Freitag 21 Uhr im Gut Schloss Golm bei freiem Eintritt. Bei Regen gibt es ein Zeltkino. Tischreservierung für das Sonnenuntergangsmenü um 18 Uhr unter Tel.: (0172) 30 10 566.

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