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Sport: Masters im Aufwind

Zehn Potsdamer Schwimmer starten bei der EM in Frankreich, Torsten Scheunert mit Medaillenhoffnung

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Zehn Potsdamer Schwimmer starten bei der EM in Frankreich, Torsten Scheunert mit Medaillenhoffnung Von Jan Brunzlow Da stehen Senioren am Startblock – ab einem Alter von 20 zählt man in Deutschland zum alten Eisen. Zumindest bei den Schwimmern. Denn wer das zwanzigste Lebensjahr vollendet hat, darf hierzulande bei den Deutschen Meisterschaften der Senioren starten. International liegt die Grenze fünf Jahre höher, Spitzenschwimmer wie Jana Henke oder Jörg Hoffmann könnten also getrost internationale Titel abräumen. In der kommenden Woche sind jedoch zehn Potsdamer Mastersschwimmer – die Bezeichnung „Masters“ hat sich gegenüber „Senioren“ durchgesetzt – im Becken von Millau in Frankreich unterwegs, die erst im Alter richtig auf den Geschmack kamen Rekorde und Medaillen zu jagen. Abordnungen des 1. Potsdamer Schwimmvereins (PSV), eine der Brandenburger Wasserfreunde sowie aus Rathenow werden u. a. in Millau sein. Zur Freude der einzelnen Teilnehmer, denn man kennt sich. Die Fahrten gelten auch als Wiedersehenspunkt für auf früheren Reisen geschlossene Bekanntschaften und Freundschaften. Doch es geht vielmehr um Sport und Höchstleistungen, wenn auch die Potsdamer bis auf den Beamten beim Bundesgrenzschutz Torsten Scheunert keine Medaillenambitionen hegen. Im Becken tummeln sich immerhin frühere Olympiateilnehmer. Vor drei Jahren bei der WM in München haben die Masters durch die Teilnahme des früheren Ausnahmeschwimmers Mark Spitz – er stellte 34 Weltrekorde auf – große Aufmerksamkeit bekommen. Doch selten stehen die Meisterschaften im Rampenlicht, obwohl Athletinnen wie die altinternationale Rathenowerin Christel Schulz, die sich im Vorjahr bei den Weltmeisterschaften in Neuseeland drei Titel in Weltrekordzeit sicherte, daran teilnehmen. Die inzwischen über 60-Jährige wurde auch 2003 sechsfache Deutsche Meisterin und gilt wieder als eine der Top-Favoritinnen in Frankreich, selbst für ihre Konkurrentin Rosemarie Papke vom 1. Potsdamer SV. Die Rentnerin und älteste Teilnehmerin der Havelstädter Abordnung gilt dabei mit vier Einzel- und zwei Staffelteilnahmen als Vielstarterin bei den Meisterschaften. Leistungssport hat sie früher betrieben, erklärt die 63-Jährige, doch nie Hochleistungssport an einer Kinder- und Jugendsportschule. Mit 13 Jahren sprang sie ins Wasser, zehn Jahre später tauchte sie wieder auf. Ein Abschied für immer war es nicht. Zwar stand die ehemalige Verkäuferin, neudeutsch Einzelhandelskauffrau, 30 Jahre lang im Trainingszentrum Potsdam am Beckenrand, doch Heide Peter brachte sie 1990 auf die Idee, bei den Masters zu starten. Seit dem lässt sie nur selten einen Wettkampf aus. Über die Jahre hinweg platzierte sich Papke, die ihren Übungsleiterjob wegen der verlängerten Ladenöffnungszeiten zuletzt an den Nagel hängen musste, international unter den Top-Acht und wurde 1997 in Prag – es war die erste Teilnahme der PSV-Alterssportler an internationalen Meisterschaften – Sechste über 50 Meter Freistil und Siebente über 50 und 100 Meter Brust. Während in der DDR wenig Wert auf den organisierten Seniorensport gelegt wurde, gilt der Masterssport inzwischen als Volksbewegung, die in den östlichen Bundesländern jedoch erst wachsen muss. „Im Westen hat sich das über viele Jahre hinweg aufgebaut, da findet man ganz andere Vereinsstrukturen“, erklärt der Seniorenwart des 1. PSV, Ulf Petzold. In seinem Verein betreiben etwa 25 bis 30 Senioren den Masters-Wettkampfsport, weitere 30 schwimmen Just for Fun. Spaß am Schwimmen heißt für die zehn EM-Teilnehmer bis zu viermal wöchentlich ins Wasser zu springen, sogar Trainingszeiten bei der Bundeswehr in Geltow bekamen sie dafür dankenswerterweise. Dem Boom mitgegangen sind sie dennoch nicht: Während andere Masters-Sportler in Höhentrainingslager fahren, um sich vorzubereiten, sehen die zehn Potsdamer die Meisterschaft gelassen. Für sie geht es nicht nur um Höchstleistung. Es geht auch um den Beweis, dass man mit Dreißig, Vierzig oder Fünfzig noch nicht zum alten Eisen gehört.

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