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Zerfetzt Gier. Die Abwertung der Frauen in pornografischen Darstellungen hat Virgina Sachse so entsetzt, dass sie ihr Ölbild in Stücke riss.

© Andreas Klaer

Homepage: Mayas und zerfetzte Pornos

Ungewisse Übergänge: Ausstellung von Arbeiten aus dem Lehramtsstudium Kunst an der Uni Potsdam

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Mit brutaler Gewalt ist Virgina Sachse ihren Bildern zu Leibe gerückt. „Ich konnte es nicht mehr ertragen. Das ist einfach nicht die Realität“, kommentiert sie die zerrissenen Fragmente von großformatigen Ölbildern, aufgehängt in Einzelstücken an den weißen Wänden des Ausstellungsraumes. Zu erkennen sind leuchtend rote Körperteile, reibende Hände, ein offener Mund. Mit Pornobildern als Vorlagen hat Sachse sich in ihrer Masterarbeit an der Universität Potsdam auseinandergesetzt.

Zunächst hätten die Bilder aus Zeitschriften und aus Shops ihr Lebensfreude und Frivolität vermittelt. Dann aber habe sich das Frauenbild in den Vordergrund gedrängt, das durch die Abbildungen vermittelt würde. Die Abwertung der Person im Pornogeschäft, ihre Reduktion auf die Funktion als Sexualobjekt sei deprimierend. Die immer wieder unterwürfigen Frauen, von Männern dominiert und beherrscht, da habe sie nicht anders reagieren können, als die entstandenen Bilder zu zerreißen, erklärt die Studentin.

An das „Gestalten ungewisser Übergänge“ haben sich vier Kunststudentinnen des Lehramtsfachbereichs der Universität Potsdam gewagt. Im „Offenen Kunstverein“ zeigen sie Bilder ihrer Abschlussprüfungen. Die Lebenssituation zwischen Studium und Referendariat und die Suche nach der eigenen künstlerischen Sprache verbindet die Arbeiten. Die Antworten fallen ganz unterschiedlich aus.

„Das Unbehagen im Profanen“ artikuliert Anna Mandt mit Collagen und gezeichneten Silhouetten, die an Scherenschnitte erinnern. Sie schafft aus Fragmenten von Tierbildern oder Körpern ein neues Ganzes. Dessen Einzelteile seien schwer zu entziffern, dies irritiere den Betrachter, erklärt die Künstlerin. Aus einer schwarzen Wolke hängt auf einem Bild ein praller Kuheuter herab, eine Hundenase stubst in etwas Unbestimmtes, möglicherweise ein Fell oder eine Perücke. Die amorphe Form steht vor einem weißen Hintergrund, was sie zum Schweben bringt. Auf einem anderen Blatt wachsen Algen aus einem roten, blutigen Fleck, es segelt eine Schweinsschnauze wie ein Schmetterling durch den Raum. Die Bilder würden die „Betrachter ihren persönlichen Wahrnehmungsweisen“ konfrontieren und „Unbehagen auslösen“, so Mandt. Das klingt zwar ein wenig wie eine häufig bemühte Floskel, trotzdem wirken Mandts Bilder originär und eröffnen surreale Welten.

Gesine Wiegandt dagegen zeigt Menschen, die keinem Klischee entspringen, sondern der Assoziation der Künstlerin und dem Selbstbild der Portraitierten. Wiegandt bat die von ihr Gemalten ein Wort vorzugeben und eine Pose einzunehmen. „Dazu habe ich kontrapunktische Bezüge aus Farbe und Semantik hergestellt“, erläutert die Absolventin. In roter, schwarzer und blauer Kontur erscheinen die Dargestellten. Es sei spannend, zu sehen, dass Besucher der Ausstellung zumeist zutreffende Vermutungen über den Charakter der Person auf der Leinwand anstellen würden, meint Wiegandt.

Marleen Klum unternimmt in ihrer Abschlussarbeit eine „Reise durch Xibalba“, die Unterwelt der Maya. „Götter und Sterbliche müssen Xibalba nach ihrem Tod durchwandern, um zu den Sternen aufzusteigen und wiedergeboren zu werden“, formuliert Klum. In einem mehrere Meter langen Leporello hat sie sich intensiv mit der Bild- und Schriftsprache der Maya auseinandergesetzt. Nach ihrer eher praktisch orientierten Ausbildung wollte sie sich auf ganz persönliche Weise mit einer exotischen, fremden Bildsprache auseinandersetzen. Aus dem Leporello, beigefügten Notizen und sorgsam gerahmten Grafiken entsteht eine eindrucksvolle subjektive Stellungnahme zu der untergegangenen Kultur.

Eine Untergangsdrohung schwebt allerdings auch über dem gesamten Lehramtsstudium Kunst. „Der Fachbereich befindet sich in einer höchst prekären und unsicheren Situation“, meint Stefan Neumann, langjähriges Mitglied des Fachschaftsrates Kunst. Nachdem jahrelang keine Studenten aufgenommen worden seien, hätten sich im vergangenen Wintersemester doch wieder etwa 40 Studenten immatrikulieren können, allerdings nur für ein Studium zum Zweitfach an Grundschulen. Eine auf fünf Jahre befristete Professorenstelle sei seit längerer Zeit nicht besetzt, Dozenten würden die fortlaufenden Lehrveranstaltungen mit Halbjahresverträgen bestreiten. Zwar habe die Universität erklärt, die Studiensituation durch eine Kooperation mit der Berliner UdK verbessern zu wollen. „Das war aber eine Absichtserklärung, der nichts gefolgt ist“, so Neumann.

Dem widerspricht die Uni allerdings. Die Kooperation mit der UdK ermögliche, Kunst oder Musik im Bachelorstudium mit einem Fach der Uni Potsdam zu kombinieren, erklärte Sabina Bieber von der Zentralen Studienberatung. Da das Lehramtsstudium grundsätzlich umstrukturiert werde, würde auch Kunst betrachtet. „Die Diskussionen werden noch geführt.“

Bis 31. Mai, Hermann-Elflein-Straße 10, Hinterhof, Mi- So, 15-19 Uhr.

Richard Rabensaat

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