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SERIE: Meditation auf sechs Saiten

Im Gespräch mit Potsdams Geigenbauer hieß es, Gambe sei am Anfang leicht zu spielen. Ein Selbstversuch

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Als wäre die Anspannung nicht schon groß genug, drückt mir Christiane Gerhardt auch noch eine Gambe aus dem Jahr 1712 in die Hände. Den Protest, dass für die ersten Versuche doch nicht gleich so ein wertvolles Instrument herhalten müsse, lässt Christina Gerhardt nicht gelten. „Wenn Sie einen teuren Mercedes ausprobieren, tun Sie das ja auch auf einer ganz normalen Straße“, sagt sie. Die Episode, dass ich vor Jahren den Audi TT eines Freundes, ein viel zu teures, viel zu auffälliges und viel zu schnelles Auto, fahren „durfte“ und dabei, sämtliche Unfallszenarien im Kopf, Blut und Wasser geschwitzt habe, behalte ich für mich. Jetzt heißt es, sich auf die Saiten zu konzentrieren.

Eine Probestunde bei der Gambenlehrerin Christiane Gerhardt. In den Gesprächen mit Potsdams Geigenbauern für diese Serie war auch regelmäßig die Rede vom Spielen der Instrumente. Immer wieder hieß es, dass die Gambe, im Gegensatz zur Violine, in jedem Alter zu erlernen sei. Die natürliche Haltung, die Bundmarkierungen auf dem Griffbrett und die geringere Saitenspannung sollen dazu beitragen, schnell erste Erfolge zu erzielen. Und da man als Journalist oft in die Lage versetzt wird, bestimmte Informationen als gegeben hinzunehmen, bot sich hier die Chance: Ein Selbstversuch sollte Klarheit bringen und Christiane Gerhardt erklärte sich sofort bereit für dieses Experiment.

In Berlin und in Klein Glienicke gibt Christiane Gerhardt Einzel- und Gruppenunterricht. „Das ist das Besondere an der Gambe, dass man schon nach kurzer Zeit in einer kleinen Gruppe die Begleitung übernehmen kann“, sagt sie. Dieses Gemeinschaftsgefühl beim Musizieren sei für viele, vor allem ältere Schüler wichtig. „Bei mir ist fast jedes Jahrzehnt vertreten“, antwortet Christiane Gerhardt auf die Frage nach dem Alter ihrer Schüler. Die jüngste ist fünf, die älteste 84 Jahre alt. Und jeder, der zu ihr kommt, hat andere Erwartungen. „Mancher träumt davon, irgendwann anspruchsvolle Stücke zu spielen, ein andere will einfach seine Spielkenntnisse auffrischen.“ So gehört zu ihren Schülerin auch eine erfolgreiche Managerin, die einen Ausgleich zu ihrem stressigen Beruf suchte und den bei der Gambe fand.

In Berlin hat Christiane Gerhardt Musikwissenschaften studiert und ging danach für das Studium der Gambe nach Brüssel und Paris. Doch nun sind ihr der Fragen genug gestellt, die sie schon als kleine Hinhaltetaktik durchschaut zu haben scheint, mit der ich den Selbstversuch ein wenig hinauszuzögern versuche. Es geht hier schließlich um das Spielen und nicht um das Reden.

Es ist ungewohnt dieses doch erstaunlich leichte Instrument zwischen die Knie zu nehmen. Ganz locker soll die Gambe zwischen den Beinen liegen und sich nicht wie ein Fremdkörper anfühlen. Was mir schwer fällt bei meiner inneren Anspannung. Dann gibt mir Christiane Gerhardt den Bogen in die Hand, der ganz locker wie ein großer Löffel gehalten wird. „Und jetzt streichen Sie einfach über eine Saite.“ Das ist der Moment, den ich gefürchtet habe!

Ich rechne mit einem gräulichen Quietschen und Kratzen, das mein unsicherer Bogenstrich aus dem armen Instrument lockt und selbst die Katzen aus der Nachbarschaft in die Flucht schlägt. Aber die ersten Töne klingen gar nicht schlecht. „Ein bisschen schneller und gleichmäßiger“, sagt Christiane Gerhardt. Vor allem die tiefen Saiten mit ihrem dunklen und warmen Klang haben es mir angetan. Schon nach kurzer Zeit strahlen diese einfach nur gestrichenen Saiten eine Ruhe aus, die etwas Meditatives hat. Und es wird verständlich, warum die Managerin ausgerechnet im Gambenspiel einen Ausgleich zu ihrem stressigen Beruf fand.

Das Spielen auf den leeren Saiten sei der Inhalt der ersten Unterrichtsstunden, sagt Juliane Laake, die seit einem Dreivierteljahr in Potsdam lebt und in der Meistersingerstraße unterrichtet. Juliane Laake und Christiane Gerhardt sind die einzigen, die in Potsdam Gambenunterricht anbieten, und das erst seit kurzer Zeit. Die Alte-Musik-Bewegung, zu der auch die Gambe zählt, sei hier noch nicht stark ausgeprägt, so Laake. Doch mittlerweile hat sie sieben Schüler, vor allem Erwachsene, mit denen sie die wöchentlichen Unterrichtsstunde immer nach Zeit und Bedarf regelt. „Bei Erwachsenen sind feste Termine oft schwer einzuhalten, da Beruf, Familie und andere Verpflichtungen Flexibilität verlangen“, sagt Juliane Laake.

Die erste, kostenlose Probestunde dient Christiane Gerhardt vor allem dazu, zu schauen, was ihr Gegenüber erwartet und wo er steht. „Das fängt schon bei den Tönen an“, sagt sie. Mancher mag die hohen, ein anderer die tiefen Töne. Davon hängt dann die spätere Wahl des Instrumentes ab, da es bei der Gambe, je nach Tonlage, sechs unterschiedliche Instrumentengrößen gibt. Nur wird nicht jeder, der es mit der Gambe versuchen will, gleich mehrere tausend Euro für ein neues Instrument ausgeben wollen. „Am Anfang empfehlen sich Leihinstrumente“, sagt Gerhardt. Sie unterrichtet gleich neben der Werkstatt ihres Lebensgefährten Tilman Muthesius, der sich als Gambenbauer international einen Namen gemacht hat. „Bei ihm besteht die Möglichkeit, eine Gambe für eine monatliche Miete zu leihen.“ Während ich die Basssaiten ihrer fast 300 Jahre alten Gambe traktiere, frage ich, wie viele nach einer Probestunde bei ihr schließlich Unterricht nehmen. „Fast jeder kommt wieder“, sagt sie. Wie recht sie hat.

Informationen zum Unterricht bei Juliane Laake unter Tel.: (0331) 979 11 14 und zum Unterricht bei Christiane Gerhardt unter www.gambenunterricht.de

INSTRUMENTENBAUER IN POTSDAM

Ein Selbstversuch

(6 und Schluss)

Dirk Becker

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