
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Mehr als Mantel gegen Marke
Ruhestand für eine Dame und einen Dackel: 35 Jahre leitete Vroni Berger den Abenddienst im Hans Otto Theater. Heute ist ihre letzte Vorstellung
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Während heute Abend im Hans Otto Theater zum zweiten Mal die Minna von Barnhelm über die Bühne geht, ist es für Vroni Berger die letzte Vorstellung, die letzte in Dienstkleidung. Nach 35 Dienstjahren verabschiedet sich die langjährige Leiterin des Abenddienstes in den Ruhestand. Sie war zuletzt für 37 Mitarbeiter im Bereich Einlass, Garderobe, Platzanweisung und Programmheftverkauf verantwortlich, schrieb Dienstpläne für deren Einsatz an allen drei Spielstätten, Neues Theater, Reithalle und Schlosstheater im Neuen Palais – ihrem Lieblingsort.
Ein wenig beklommen ist ihr jetzt. Seit Jahren kommt sie fast zu jeder Vorstellung, an Wochenenden und Feiertagen. Urlaub gibt es nur während der Theaterferien. Ihre ganze Familie ist mit dem Haus verwurzelt. 1978 wurde ein Hausinspektor-Ehepaar für das Theater in der Zimmerstraße gesucht. Sie und ihr Mann kamen aus der Gastronomie, sie verstanden etwas von Service und wussten mit Menschen umzugehen. Das war wichtig, sagt sie. „Man muss sich hier immer wieder auf neue Menschen einstellen“, sagt sie und meint das unterschiedliche Publikum als auch die wechselnden Intendanten.
Sechs davon hat sie erlebt, unter Gero Hammer hat sie angefangen. An die DDR-Zeit erinnert sie sich gern, in der Zimmerstraße hatten sie sogar eine Dienstwohnung. Ihre zwei Söhne wurden dort groß und durften mitspielen, wenn Kinder gebraucht wurden. Die Stücke „Der Weiße Anzug“ von Alonso Alegría und Heiner Müllers „Wolokolamsker Chaussee“ sind Höhepunkte, die ihr einfallen. Und der Verleih des Vaterländischen Verdienstordens für das ganze Theater – „Das war schon was Besonderes“.
Auch in dem provisorischen Theaterbau auf dem Alten Markt arbeitete sie. „Die Blechbüchse war gar nicht so schlecht, wie es immer hieß“, findet Vroni Berger. Nur wenn ein Krankenwagen draußen vorbei fuhr, das störte. Als der Neubau am Tiefen See konzipiert wurde, bezog man sie in die Planung ein. Sie wollte, dass es reichlich Platz gibt für Garderobe, einen langen Tresen. So wie es jetzt geworden ist. Das ist besonders wichtig im Winter, wenn die vielen Schulklassen kommen, mit all den Rucksäcken. Wenn grundsätzlich mehr Jacken und Mäntel getragen und abgegeben werden. An der Kleiderordnung sei allerdings noch kein Theaterbesuch gescheitert, sagt sie. Einmal sei jemand in etwas fragwürdigem Aufzug gekommen, habe aber seine Garderobe zum Umziehen in einem Beutel dabei gehabt. Im Sommer kommen Motorradfahrer, geben ihre Helme ab. Verloren gegangen sei noch nie etwas: „Notfalls schließen wir den Saal noch einmal auf – wir finden alles oder schicken es später hinterher“, sagt Vroni Berger.
Doch Abenddienst ist mehr als Mantel gegen Marke tauschen. Jeder Mitarbeiter bekommt eine Freikarte pro Stück. „Die Leute fragen uns ja: Wer spielt da mit, kann man da rein gehen, wann ist Pause?“, sagt Vroni Berger. Sie geht gern in die Vorstellungen, und obwohl ihr persönlich Musik, Operette und Lustiges mehr liege, habe sie auch Schauspiel zu schätzen gelernt. „Der Turm, Der Eisvogel, das muss man gesehen haben“, sagt sie.
Mittlerweile kennt sie ihr Publikum – und das Publikum kennt sie. Viele begrüßen sie, manchmal kommt Schauspieler Jörg Schüttauf mit seiner Frau und schwatzt mit ihr. „Der hat damals in der Zimmerstraße angefangen, und jetzt ist er so berühmt“, sagt sie schwärmerisch. Viele Besucher kommen aus Berlin ans Potsdamer Theater, weil es hier einfach schön ist, meint sie. Jetzt wird Vroni Berger selbst mehr Zeit haben, Theater zu besuchen. Immer schon ging sie gern in die Komödie am Kurfürstendamm, den Friedrichstadtpalast, die Deutsche Oper. Manchmal kamen Berliner Schauspieler nach Potsdam in die Vorstellung und sie dachte: Den kennste doch irgendwoher?
Was sie tun wird mit all der freien Zeit? „Mal gucken“, sagt sie: Da wäre der große Garten, und ab und zu wird sie weiter in ihr Theater gehen. „Sie ist jederzeit willkommen“, sagt ihre Chefin Maike Schönfeld. Zunächst wird sie aus ihrem winzigen Büro unter dem Treppenaufgang ausziehen. Auch Rauhaardackel Illo muss jetzt seinen Platz unten im Regal räumen. „Der durfte immer hier sein, mit Genehmigung von Herrn Raback“, sagt Vroni Berger. „Weil er nie bellt.“ Steffi Pyanoe
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