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Bloß kein Mitleid. Bei Michael Mehlhorn wurde eine seltene Krankheit diagnostiziert. Er hat sich damit arrangiert.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Mehr als nur Zeitungsverkäufer

Weil Michael Mehlhorn erkrankte, wechselte er vom Presseshop ins Internet

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Wer in der Innenstadt wohnt, dem dürfte dieses Gesicht noch ein Begriff sein: Acht Jahre lang verkaufte Michael Mehlhorn Zeitungen und Zeitschriften, 1997 übernahm er einen Laden in der Friedrich-Ebert-Straße, 2000 zog er in den Presseshop in der Wilhelm-Galerie. Dort war er mehr als nur der Mann an der Kasse. Er organisierte für seine Stammkunden auch schon mal die eine oder andere Überraschung: ein Heft mit den Autogrammen der kompletten Frauenfußball-Nationalmannschaft zum Beispiel, ungefragt natürlich. 2005 war damit Schluss.

„Ich habe gearbeitet, bis es nicht mehr ging“, sagt Michael Mehlhorn heute. Viele Worte will der 54-Jährige über seine Krankheitsgeschichte eigentlich nicht verlieren: „Ich habe gelernt, damit umzugehen, Mitleid will ich nicht.“ Dabei hat die Diagnose sein Leben verändert – und sie ist auch der Grund dafür, dass man Mehlhorn heute kaum noch in der Öffentlichkeit sieht. Was als schwere und langwierige Erkältung begann, entpuppte sich als eine sogenannte Wegener-Granulomatose. Dabei entzünden sich nicht nur die Gefäße, es bilden sich gleichzeitig Gewebswucherungen, unter anderem in dem Atemwegen.

Wegen der seltenen und unheilbaren Krankheit, die in Schüben kommt, muss Mehlhorn bis heute Orte mit vielen Menschen meiden: „Mein Immunsystem ist durch die Medikamente praktisch außer Kraft gesetzt“, erklärt er. Deshalb ist er besonders anfällig für jegliche Art von Infektionen. Jeden Tag muss er Blutdruck, Temperatur, Gewicht messen. „Bei der Friseurin muss ich aufpassen, dass sie mich nicht schneidet.“

Arbeiten darf er wegen der Erkrankung auch nicht mehr. Aber der Potsdamer will auch nicht nur zu Hause sitzen: „Man braucht eine Aufgabe, man braucht ein Ziel.“ Über das Internet hat Mehlhorn nun einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden, wie er erzählt: Auf einer Plattform für Online-Spiele organisiert er Wettbewerbe – und hat mittlerweile unter anderem eine ganze Online-Billard-Liga aufgebaut. „Das bringt mich wirklich auf andere Gedanken“, sagt er.

Mitmachen können Spieler bundesweit. „Die meisten Spiele sind kostenlos“, sagt Mehlhorn. Bedenken wegen einer möglichen Suchtgefahr hat er nicht: „Das ist nicht anders als bei jedem anderen Spiel um Geld.“ Als Preise gibt es bislang nur Punkte.

Das will der Potsdamer noch ändern: Wie früher in seinem Presseshop will er besondere Preise organisieren – etwa ein Treffen mit Schauspielern oder Sportlern. „Es geht mir um richtige Erlebnisse“, sagt Mehlhorn: „Ideen habe ich genug.“ Für die Umsetzung will er auch seine früheren Kontakte aus der Zeitungsladen-Zeit aktivieren. jaha

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