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Landeshauptstadt: Mehr als Tränen

In der Beratung der Hoffbauerstiftung lernen Kinder und Jugendliche, mit Tod und Krankheit Angehöriger umzugehen

Von Sarah Kugler

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Hilflosigkeit, Wut, Verzweiflung. Wenn ein geliebter Mensch verstirbt oder schwer krank ist, ist Trauer nicht das einzige Gefühl, mit dem die Betroffenen zu kämpfen haben. Gerade bei jüngeren Menschen äußert sich die Verarbeitung solch emotionaler Extremsituationen nicht ausschließlich in Tränen. Die Potsdamer Hospiz- und Palliativberatung der Hoffbauerstiftung in Hermannswerder bietet deswegen auch spezielle Trauerangebote für Kinder und Jugendliche in Einzel- oder Gruppensitzungen an.

In der Kinderbetreuung werden Kinder von etwa fünf bis 13 Jahren aufgenommen. Dabei gibt es die Schmetterling-Gruppe, die Kinder mit schwerkranken Angehörigen betreut und die Regenbogen-Gruppe, die sich um Kinder kümmert, die einen wichtigen Angehörigen verloren haben. In der Jugend-Trauergruppe können sich Jugendliche und junge Erwachsene von etwa 14 bis 20 Jahren austauschen. Die Treffen finden im Moment für die Kinder alle 14 Tage immer dienstags für zwei Stunden statt. Die Jugendlichen treffen sich zurzeit einmal im Monat. „Es ist vor allem wichtig, dass ein Austausch stattfindet“, sagt Sozialpädagogin Nicole Menzel, die seit zwei Jahren als Koordinatorin in der Trauerarbeit tätig ist. „Positives wie Negatives kann und soll hier erzählt werden.“

Dazu laden die Räume in Hermannswerder mit ihrer freundlichen Gestaltung auch ein: Heller Holzfußboden, große knautschige Sitzkissen und eine gemütliche Wohnküche – nichts hier erinnert an Krankheit oder Tod. Die zahlreichen bunten Utensilien in den Regalen lassen sogar eher an einen Hort oder Kindergarten denken. „Für Trauernde ist ganz besonders wichtig, einen Rückzugsort zu haben, der ihnen Sicherheit gibt“, so Menzel. „Den wollen wir ihnen hier auch bieten.“ Gerade in der Arbeit mit Jüngeren sei es oft sehr wichtig, gemeinsam etwas zu unternehmen, damit das Gefühl des Alleinseins weggehe, wie sie sagt.

Vier hauptamtliche Mitarbeiter arbeiten in dem Hoffbauer-Büro in Hermannswerder, deren Arbeit von etwa 100 Ehrenamtlichen ergänzt wird. In der Trauerbegleitung, für die eine elfmonatige Zusatzausbildung nötig ist, sind etwa 20 ehrenamtliche Betreuer tätig. Dabei unterscheide sich die Arbeit mit Kindern von der mit Jugendlichen. „Die Kleinen sind sehr viel direkter und manchmal auch sachlicher“, erzählt Nicole Menzel. „Erfassen dafür aber oft noch nicht die Endgültigkeit des Todes.“

Mit ihnen unternimmt die Betreuerin verschiedene Aktivitäten, arbeitet mit Ton, bastelt Schatzkästchen oder geht raus in die Natur. „Einmal haben wir draußen einen toten Spatz gefunden und auch beerdigt“, erzählt sie. „Dabei hat jedes Kind ganz automatisch eine Rolle eingenommen und danach haben wir dann zusammen gesessen und Kuchen gegessen.“ Gemeinsames Essen und Trinken sei überhaupt ein sehr wichtiges Ritual, bei dem die Gruppe der Trauernden noch einmal stärker verbunden wird. „Man kommt einfach ungezwungener ins Gespräch“, so Menzel. „Und kann sich dem Thema Tod noch mal ganz anders nähern.“

Das Reden spielt vor allem bei den Jugendlichen eine große Rolle, wie Menzel erzählt: „Die sind ja durch die Pubertät schon in einem ständigen Konflikt mit sich selbst und in einer Art Aufbruchsphase. Kommt dann noch ein Verlust hinzu, geraten die Gefühle vollkommen durcheinander und dann ist ganz besonders wichtig, darüber zu sprechen.“

Um so etwas Abstraktes wie Gefühle auch greifbar zu machen, gibt es viele Möglichkeiten. „Wir haben zum Beispiel schwierige Gedanken und Gefühle auf Steine geschrieben und sie dann mit voller Wucht ins Wasser geworfen“, erzählt die Sozialpädagogin. „Ein anderes Mal haben wir Schwimmkerzen mit Wünschen und Gedanken oder auch Grüßen für die Toten aufs Wasser gelassen.“

Überhaupt sei Erinnerungsarbeit die zweite große Säule neben der Benennung und Wahrnehmung der Gefühle. Jeder Trauernde gestaltet zu Beginn eine Kerze für den Verstorbenen, die auch immer während der Sitzungen angezündet werde. „So sind die Angehörigen indirekt immer mit anwesend, was durchaus beruhigend sein kann“, so Menzel. Eine Emotion mit der sie neben Trauer oft zu tun hat, ist Wut. „Die Menschen sind dann zornig, häufig auch auf den Kranken oder Verstorbenen selbst und können damit nicht umgehen“, erzählt sie. „Dabei ist es in Ordnung, wütend zu sein. Man muss dann nur gucken, wo es herkommt und wie man die Wut umleiten kann.“

Neben der Kinder- und Jugendarbeit bietet der Hospiz- und Palliativberatungsdienst auch alle sechs bis acht Wochen ein Familientreffen an, bei dem alle gemeinsam etwas Schönes erleben sollen und sich auch die Familien untereinander austauschen können.

Viele Menschen kommen aber auch nur, um sich in ein oder zwei Gesprächen Rat zu holen, wie Nicole Menzel erzählt: „Es kam zum Beispiel mal eine Mutter mit zwei kleinen Kindern, die an Krebs erkrankt war. Sie hatte zwar eine große Chance auf Heilung, wusste aber nicht, wie sie ihre Kinder mit in den Krankheitsprozess einbinden sollte.“ Solche Menschen bräuchten meist nur die Bestätigung, dass sie das Richtige tun. „Ganz wichtig hierbei ist, dass der Tod oder die Krankheit nicht zum Tabuthema gemacht wird“, sagt sie. „Es ist ganz wesentlich, darüber zu sprechen, Tod und Krankheit als natürlichen Teil des Lebens zu akzeptieren. Und dabei können und wollen wir helfen.“

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