Landeshauptstadt: Mehr Besucher als zur Buga
Stadtforum: Kritik an Weihnachtsmarkt / WM-Fußballmeile auf „Broadway“
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Die Potsdamer Hotels beherbergten in diesem Jahr mehr Gäste als im Jahr der Bundesgartenschau 2001. „Erstmals wird bei den Übernachtungen die Zahl von 700 000 überschritten“, sagte Dieter Hütte, Geschäftsführer der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH, auf der 24. Sitzung des Stadtforums am Donnerstagabend.
Trotz dieses Rekords und angesichts von rund 2,3 Millionen Besuchern der Sehenswürdigkeiten der Stadt, läuft auf dem Gebiet des Tourismus noch längst nicht alles wunschgemäß. So steckt die „Bündelung aller Kräfte“, wie es der ehemalige Kultur-Abteilungsleiter im Landesministerium Wilhelm Neufeldt nannte, noch in den Anfängen. Die Auslastungszahlen der Hotels seien nicht befriedigend und Potsdam tue zu wenig, um seine kulturelle Potenz zu vermarkten. Mit dem Weihnachtsmarkt habe die Stadt dem „Broadway“ mit seinen restaurierten Barockhäusern gar eine „verzerrende Maske“ aufgesetzt. Damit werde kein zusätzlicher Tourist in die Stadt gelockt, pflichtete ihm Sigrid Sommer, Marketingchefin der Stadtverwaltung, bei. Sommer kündigte an, dass sich Oberbürgermeister Jann Jakobs am kommenden Montag mit Vertretern der Wirtschaftsförderung und der Arbeitsgemeinschaft City einen Einblick vor Ort verschaffen werde, um künftige Ereignisse dieser Art besser in das Tourismuskonzept einzubeziehen. Christian Wendland, Vorsitzender des Vereins im Holländischen Viertel, regte an, dass künftig der Weihnachtsmarkt auf dem Alten Markt stattfinden könne, nachdem dieser Platz wieder hergestellt worden sei.
Zur touristischen Vermarktungsstrategie gehört eine einheitliche Werbemarke, sind sich die Experten einig. Aber wie soll sie lauten? „Schloss Sanssouci“ ist offenbar zu wenig und zu einseitig und „Potsdamer Kulturlandschaft“, wie Grünen-Stadtverordnete Saskia Hüneke vorschlägt, nicht griffig genug. Auf jeden Fall bedarf es einer gemeinsamen Strategie, um Potsdam noch effektiver zu vermarkten und, wie Stadtkontor-Chef Rainer Baatz fordert, vor allem für die Berlinern noch anziehender zu machen.
Hauptziel der Touristen in Potsdam sind nach wie vor die Preußischen Schlösser und Gärten. Die Zahl der Besucher der Schlösser stagniere „auf hohem Niveau“, wie der Marketing-Leiter der Stiftung, Tilmann von Stockhausen, es ausdrückte. Die nicht gezählten Besucher, die nur in den Parks flanieren, schätze er auf fünf Millionen. 1,38 Millionen Menschen besuchten per Eintrittskarte die Schlösser im auslaufenden Jahr, über 400 000 allein das Schloss Sanssouci. Damit ist die Aufnahmekapazität des „Einfamilienhauses Friedrichs II.“ jedoch erschöpft: Mehr als 1800 Gäste pro Tag werden nicht in das Weinbergschloss hineingelassen. Von Stockhausen nannte eine Reihe von Problemen, wie den Transport, die Erreichbarkeit und die erhebliche räumliche Ausdehnung der Schloss- und Parkanlagen. Er plädierte daher für eine „kulturhistorische Rundlinie“, also eine Bus-Rundfahrt, auf der während der Fahrt Informationen über die Sehenswürdigkeiten angeboten werden. Um die Erhaltung der Anlagen zu finanzieren, schlägt von Stockhausen einen „freiwilligen Parkeintritt“ vor. Wie dieser organisiert und ab wann das freiwillige Ticket eingeführt werden soll, ließ der Marketing-Chef offen.
Außerhalb der Schlösser und Gärten waren das Krongut Bornstedt, der Filmpark Babelsberg, die Biosphäre und das Belvedere auf dem Pfingstberg die am meisten besuchten Sehenswürdigkeiten. Das Krongut übertrifft sogar Schloss Sanssouci. Zum Pfingstberg kamen 90 770 Besucher. Wie Ulrich Koltzer, Geschäftsführer des Pfingstberg-Fördervereins, nicht ohne Stolz bekannt gab, finanziert sich diese Attraktion allein durch Einnahmen und Spenden vollständig selbst und kann sogar noch etwas für die Restaurierung abzweigen.
Einen Höhepunkt kündigte Oberbürgermeister Jann Jakobs für die Zeit der Fußballweltmeisterschaft an: Die Brandenburger Straße soll zur Fußballmeile werden. Näheres will Jakobs im Januar verkünden. Ob damit Berlin-Touristen nach Potsdam umgelenkt werden können, bleibt indes zweifelhaft. Das um so mehr, als sich der Potsdam-Tourismus laut Dieter Hütte zur Verwunderung des Oberbürgermeisters zur „fußballfreien Zone“, nachzulesen im Internet, erklärt hat.
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