
© Andreas Klaer
Von Jan Brunzlow: Mehr Einkaufscenter für eine bessere Statistik?
Die Verwaltung will den Ausbau des Stern-Centers nicht, obwohl die Umsätze in der Stadt steigen könnten
Stand:
Den letzten Platz nehmen sie in Kauf. Dabei ist es wohl die einzige Kennziffer im jährlich erscheinenden Vergleich der Landeshauptstädte, in der die Verwaltungsmitarbeiter der Stadtplanung nicht um jeden Preis die Besten sein wollen. Es geht um die statistischen Umsätze der Einzelhändler auf dem Gebiet der Landeshauptstadt. Die liegen in Potsdam, gemessen an der Kaufkraft der Bevölkerung, bei nur 80 Prozent – es ist der geringste Wert seit zehn Jahren und der schlechteste aller Landeshauptstädte. Im Rathaus wird die Berechnung allerdings gelassen gesehen. Die eigene Berechnung liege höher und die nächste werde erst in zwei Jahren durchgeführt, sagte Stadtplaner Erik Wolfram: „Alles andere ist Kaffeesatzleserei.“
Potsdam verzeichnet die höchste Kaufkraft der fünf ostdeutschen Landeshauptstädte, doch das Spiel zwischen Zufluss, Abfluss und Überfluss der Einzelhandelsumsätze scheint fließend. Um die Umsatzkennziffer zu steigern, müssten nur große Center am Stadtrand freigegeben werden, sagen die Stadtplaner. Doch sei dies nicht Ziel der Potsdamer Stadtentwicklung – die Zentren sollen gestärkt werden, so wie es die Länder Berlin und Brandenburg beschlossen haben.
Dass Potsdam eine besondere geografische Lage unter den deutschen Landeshauptstädten einnimmt, führen Goetzmann und Wolfram ebenfalls als Grund für die schlechte Kennziffer an. Keine andere Stadt liege neben einem Zentrum mit 3,5 Millionen Einwohnern. Es sei daher nicht verwunderlich, dass Saarbrücken beispielsweise eine Umsatzkennziffer von über 170 hat. Dort beträgt der Zustrom aus dem Umland somit mehr als 70 Prozentpunkte der eigenen Kaufkraft. „Waren Sie schon mal da? Da ist im Umkreis von 150 Kilometern nichts“, sagte Goetzmann. Die Menschen würden aus Lothringen kommen, um einzukaufen.
In Potsdam hat man sich seit jeher gegen neue Center gesträubt. Als an der Autobahn in Marquardt ein großes Outlet- Center geplant war, hat Potsdam sich mit aller Macht dagegen gewehrt. Als es Pläne für Dreilinden gab, ein Center zu errichten, legte die Verwaltung sich gegen den Bau ins Zeug. Und nun wird gegen den Ausbau des Stern-Centers argumentiert. Der Betreiber, die ECE-Gruppe aus Hamburg, möchte den erfolgreichen Konsumtempel erweitern. Um mindestens 8000 Quadratmeter. 40 Millionen Euro würden investiert, 40 neue Geschäfte mit 175 Arbeitsplätzen entstehen. „Nein“ heißt es seitens der Stadtplaner. „Da müsste sich sehr viel an den Rahmenbedingungen ändern“, sagte Goetzmann, bevor dies zugelassen werde.
Die Geschäftsführung des Centers schielt dabei nicht auf die Konkurrenz in der Potsdamer Innenstadt, sondern auf die in Berlin. Die Schlossstraße in Steglitz ist Magnet des Berliner Südwesten, im kommenden Jahr soll ein weiteres Center eröffnen. Im Büro von Centermanager Stephan Raml hängt seit Jahren eine Karte mit dem Einzugsgebiet und den Centern, die darin als Konkurrenz entstehen. Denn der Südwesten Berlins ist Einzugsgebiet für das Stern-Center direkt an der Autobahn A115. In Potsdam könnte man den Anschluss verlieren, wird befürchtet. Also doch ein Ausbau?
Die Landesplanung würde dem entgegenstehen, sagte Erik Wolfram. So wie Potsdam sich gegen den Bau der Center in der Peripherie gestemmt hat, so gebe es „an dieser Stelle einen Gegendruck von Berliner Seite“, so Goetzmann. Denn die Stadt müsste sehr gute Argumente vorbringen, um den Ausbau zu genehmigen. Die will sie derzeit aber nicht haben, erst letzte Woche hat sie dem Ausbau erneut langfristig eine Absage erteilt. Zwar hätte die Erweiterung „einen starken Effekt für die Zentralität“, jedoch würde die Landesplanung dagegen sprechen und es wäre eine Verstärkung der Konkurrenz zur Innenstadt. Eine Argumentation, die Hans- Jürgen Scharfenberg von den Linken als logische Folge einer Art Verhinderungspolitik des Oberbürgermeisters bezeichnet. Erst wollte die Stadt es nicht, nun diene das Land mit seinen Planungen als Hauptargument. Er wolle sich weiterhin dafür verwenden, für eine Erweiterung zu kämpfen. Es sei ein Gebiet, in dem 30 000 Menschen leben, es sei ein Zentrum, so Scharfenberg.
Auf dem Weg zu mehr Einzelhandel in der Stadt sollen in den nächsten Jahren 6000 Quadratmeter neue Handelsfläche zwischen Alter Markt und Brandenburger Straße entstehen. Die Potenzialanalyse reicht bis ins Jahr 2015, wird alle drei Monate überarbeitet. Zuletzt haben die Korrekturen an den Zahlen dazu geführt, dass die politische Beschränkung des Sortiments in der Bahnhofspassage gelockert werden sollen. Ab dem kommenden Jahr könnten dort nochmals 4500 Quadratmeter bislang leer stehende Verkaufsfläche gefüllt werden. Ein Schub für die Umsatzkennziffer? In der Verwaltung wird das erwartet, auch ohne neue Center am Stadtrand. Den letzten Platz wird Potsdam im Städtevergleich dennoch nicht so schnell los, denn keine andere Landeshauptstadt hat einen wert, der unter dem Bundesdurchschnitt von 100 liegt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: