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Vitaminbomben. Obst und Gemüse sind reich an Vitaminen.

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Ernährungsforscher: Zusätzliche Vitaminpräparate sollten besser erst nach Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden

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2011 ist das Jahr der Gesundheitsforschung. In den PNN stellen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) aktuelle Ergebnisse aus dem Bereich Gesundheit und Ernährung vor.

Der menschliche Körper braucht 13 verschiedene Vitamine zum Leben. Da unser Körper sie aber nur in unzureichenden Mengen oder gar nicht herstellen kann, müssen sie mit der Nahrung aufgenommen werden. Es gibt zwei Gruppen von Vitaminen: wasserlösliche und fettlösliche Vitamine. Die Vitamine B1, B2, B6, B12, Biotin, Folate, Niacin, Pantothensäure und Vitamin C sind wasserlösliche Vitamine. Die Vitamine A, D, E und K sind fettlöslich.

Doch wie viel Vitamine braucht der Mensch? Reicht es aus, abwechslungsreich zu essen, um ausreichend versorgt zu sein? Die Antwort hierauf ist nicht ganz einfach, denn die durchschnittlich vom Körper benötigten Vitaminmengen sind je nach Vitaminart unterschiedlich. Ebenso spielt die körperliche Verfassung eine wesentliche Rolle für den individuellen Vitaminbedarf.

Eine gute Orientierung geben die Referenzwerte für die durchschnittlichen Zufuhrmengen. Sie werden gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung und der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (D-A-CH) herausgegeben. Beispielsweise liegt die empfohlene tägliche Zufuhrmenge für Vitamin B12 bei etwa drei Mikrogramm. Dagegen sollten von Vitamin B1 etwa die vierhundertfache Menge, nämlich 1 bis 1,3 Milligramm, täglich mit der Nahrung aufgenommen werden.

Vitamin B12 ist wichtig für die Nerven und die Blutbildung und kommt in ernährungsphysiologisch relevanten Mengen nur in tierischen Lebensmitteln vor. Dabei deckt der Verzehr von 100 Gramm 40-prozentigem Frischkäse schon mehr als den Tagesbedarf. Doch selbst wenn man für längere Zeit keine tierischen Produkte isst, muss man nicht sofort mit Mangelerscheinungen rechnen, da der Vitamin B12-Speicher in der menschlichen Leber für drei bis fünf Jahre reicht. Dagegen ist der Speichervorrat von Vitamin B1 schnell erschöpft. Das für das Herz und die Nerven wichtige Vitamin muss daher regelmäßig mit der Nahrung zugeführt werden. Das Gute ist, Vitamin B1 kommt in fast allen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vor. Besonders viel ist in Schweinefleisch, Haferflocken und Hülsenfrüchten enthalten.

Im Allgemeinen haben gesunde Erwachsene, die sich ausgewogen ernähren, keinen Vitaminmangel zu befürchten. Behauptungen, dass unsere Lebensmittel heute weniger Vitamine und Mineralstoffe enthalten als früher und daher zusätzliche Nahrungsergänzungsmittel notwendig seien, sind aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar. Dennoch können bestimmte Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel Kleinkinder, alte Menschen, Schwangere, Stillende oder Menschen mit bestimmten Erkrankungen von einem Vitaminmangel betroffen sein. In diesen Fällen ist es sinnvoll, den Vitaminstatus von einem Arzt überprüfen zu lassen und gegebenenfalls gezielt den Mangel über ein entsprechendes Vitaminpräparat auszugleichen. Nach dem Motto „Viel hilft viel“ zu handeln und wahllos Vitamine zu schlucken, ist dagegen der falsche Weg. Denn besonders fettlösliche Vitamine können leicht überdosiert werden und dann sogar eher schaden als nutzen.

Eine übermäßige Aufnahme von Vitamin A über die Nahrung oder Vitaminpräparate kann zum Beispiel zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Haarausfall, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit führen. Bei einer dauerhaften Überdosierung sind Leberschäden und Wachstumsstörungen möglich. Schwangere haben zwar einen leicht erhöhten Vitamin A-Bedarf. Eine massive Überdosierung sollten sie jedoch vermeiden, da zu viel Vitamin A zu Missbildungen beim ungeborenen Kind führen kann. Aus diesem Grund sollten Schwangere nur wenig Leber verzehren. 100 Gramm Schweineleber enthalten beispielsweise 36 Milligramm Vitamin A. Nach den D-A-CH-Referenzwerten sollten Schwangere jedoch nicht mehr als 1,1 Milligramm pro Tag aufnehmen.

Im Gegensatz zum Vitamin A ist eine ernährungsbedingte Überdosierung von Vitamin E nicht möglich. Nimmt man jedoch größere Mengen über Vitaminpräparate zu sich, kann sich die Blutungsneigung verstärken. Besonders Patienten, die aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen Medikamente zur Blutverdünnung wie Acetylsalicylsäure einnehmen, sind gefährdet. Daher sollten hoch dosierte Vitamin E-Präparate nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Denn erstaunlicherweise ist bis zum heutigen Tag die biologische Funktion von Vitamin E nicht genau geklärt. Insbesondere konnte trotz intensiver Forschungen eine schützende Wirkung als „Radikalfänger“ im menschlichen Körper nicht nachgewiesen werden. Die genaue Kenntnis der Funktion von Vitamin E ist aber unerlässlich, um Vitamin E-Präparate, wenn überhaupt, sinnvoll einsetzen zu können. Auch am Deutschen Institut für Ernährungsforschung wird daran gearbeitet, die Funktion von Vitamin E besser zu verstehen. Ein Anfang war die Aufklärung des Abbaus von Vitamin E. Dieser erfolgt über ein Enzymsystem, das auch Fremdstoffe eliminiert. Daraus kann man schließen, dass der Organismus ein Zuviel an Vitamin E als fremd erkennt und dafür sorgt, dass es ausgeschieden wird.

Professor Regina Brigelius-Flohé leitet die Abteilung Biochemie der Mikronährstoffe am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Bergholz-Rehbrücke. Forschungsschwerpunkte der Biochemikerin sind der Vitamin E-Stoffwechsel und die Funktion von Selen und Selenoproteinen bei der Entstehung von Krebs.

Regina Brigelius-Flohé

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