Landeshauptstadt: Mehr Stellen als Bewerber
Die Wirtschaft findet nicht genug Azubis: Stadtwerke versuchen, mit attraktiver Ausbildung zu punkten
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Zu wenig Bewerber, zu viele offene Stellen. Was vor Jahren undenkbar war, ist auf dem Ausbildungsmarkt auch in Potsdam inzwischen die Regel. Das Angebot an Ausbildungsplätzen übersteigt die Zahl der Bewerber. „Der Überhang war noch nie so groß“, sagte Doreen Ließ von der Potsdamer Arbeitsagentur am Freitag auf PNN-Anfrage. Zuletzt deckte die Zahl der Bewerber im Jahr 2009 die Nachfrage der Unternehmen. Seither klafft die Lücke immer weiter auseinander.
Zwar sei auf dem Ausbildungsmarkt noch viel in Bewegung, weil zahlreiche Betriebe mit der Ausbildung erst im September beginnen. Allerdings zeichne sich ein neuer Rekord ab – und das, obwohl wegen des doppelten Abiturjahrgangs sogar mehr Bewerber auf den Ausbildungsmarkt kommen, so Ließ. Die meisten Abiturienten streben zwar ein Studium an, ein Teil entscheidet sich jedoch für eine Ausbildung. Ursache für die wachsende Kluft zwischen Angebot und Nachfrage ist neben der guten Konjunktur der Geburtenknick nach der Wende.
Wer in Potsdam noch eine Lehrstelle sucht, hat momentan viel Auswahl: Die Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Internet verzeichnet für die Landeshauptstadt 68 freie Ausbildungsplätze. Darunter sind Angebote in der Versicherungsbranche, in der Logistik oder im Hotel- und Gaststättengewerbe. Sucht man in der Umgebung, finden sich über die Internetseite sogar 147 Angebote im Umkreis von 20 Kilometern. Im gesamten Bezirk der Potsdamer Arbeitsagentur, zu dem auch die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald sowie Brandenburg/Havel gehören, sind nach der jüngsten Statistik gar 1378 Ausbildungsplätze unbesetzt. Auf jeden noch unversorgten Bewerber kommen 1,31 Stellen.
Die Entwicklung habe sich zugespitzt, sagt Detlef Gottschling, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Potsdam. Die Jahrgänge der Schulabgänger seien mittlerweile nur noch halb so groß wie vor einigen Jahren. Diese Situation müsse man zunächst hinnehmen. Schließlich könne man heute nichts mehr daran ändern, dass in den 90er Jahren weniger Kinder geboren wurden. Die IHK habe auf den Bewerbermangel jedoch regiert, so Gottschling. Bereits vor drei Jahren habe sie die Kampagne „Mach es in Brandenburg“ gestartet. Damit sollen junge Leute motiviert werden, ihre berufliche Zukunft in der Region zu suchen.
Im Oktober will die IHK freie Ausbildungsplätze unversorgten Lehrstellenbewerbern in Berlin nahe bringen. „Der Weg nach Potsdam oder Teltow ist von dort manchmal kürzer als auf die andere Seite Berlins“, sagt Gottschling. Besonders hoch sei die Nachfrage nach Auszubildenden im Hotel- und Gaststättengewerbe. Doch scheuen sich viele Schulabgänger wegen der Wochenend- und Spätarbeit vor der Branche.
Weniger Sorgen haben die Potsdamer Stadtwerke: Sie begrüßten am Freitag ihre 16 neuen Auszubildenden, darunter drei junge Frauen. In dem kommunalen Unternehmen werden sie zum Beispiel als Industriekaufmann, Anlagenmechaniker oder Fachangestellter für Bäderbetriebe ausgebildet. Außerdem beginnen zwei Frauen und ein Mann ein duales Studium in Kooperation mit der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht. „Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein“, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Wilfried Böhme. Die Ausbildungsvergütung richte sich nach dem Tarif – das bedeute etwa 800 Euro monatlich. Wer einen guten Abschluss schafft, wird für zwei Jahre übernommen. Das Unternehmen könne aus den Bewerbern auswählen. Dennoch spüren auch die Stadtwerke die Folgen des Geburtenknicks. Die Zahl der Bewerber habe sich halbiert, so Böhme. Auch im nächsten Jahr wolle man wieder ausbilden. Bewerbungen für 2013 werden bereits angenommen.
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