Aus dem GERICHTSSAAL: „Mehrere Schutzengel in Aktion“ Betrunken und ohne Führerschein gefahren
Mit zwei Promille Alkohol im Blut - die Fahrerlaubnis war ihm bereits wegen Trunkenheit am Steuer entzogen worden - raste Lutz L.* (43) am Abend des 4.
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Mit zwei Promille Alkohol im Blut - die Fahrerlaubnis war ihm bereits wegen Trunkenheit am Steuer entzogen worden - raste Lutz L.* (43) am Abend des 4. Dezember 2009 die Lange Brücke entlang, krachte mit einem entgegenkommenden Renault zusammen. Dessen drei Insassen wurden schwer verletzt. Das Auto erlitt Totalschaden. „Da müssen schon mehrere Schutzengel über Ihnen geflogen sein“, konstatierte Amtsrichterin Waltraud Heep. „Ein Auto in der Hand eines Betrunkenen ist eine tödliche Waffe, die trifft oder auch nicht. Sie hätten heute auch wegen fahrlässiger Tötung auf der Anklagebank sitzen können.“ So wurde Lutz L. lediglich wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässiger Körperverletzung sowie vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu dreijähriger Bewährung, verurteilt. Die Verwaltungsbehörde darf ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis ausstellen.
Zu Prozessbeginn verlas der Verteidiger eine Erklärung seines Mandanten. In ihr war von Beziehungsproblemen des arbeitslosen Gärtners die Rede. Seine Ehefrau – inzwischen von ihm getrennt lebend – hatte die Scheidung eingereicht, weil Lutz L. einfach nicht vom Hochprozentigen loskam. Am Unglückstag habe man sich im Hotel Mercure zu einer letzten Aussprache getroffen. Doch es kam zum Streit. So habe sein Mandant erneut „erheblich dem Alkohol zugesprochen“, sich dann wütend ans Steuer des eigentlich von seiner Frau gefahrenen Autos gesetzt. „Er hat nicht nachgedacht, ob er das darf. Er wolle nur noch weg“, so der Rechtsanwalt. „Wieso hatten Sie eigentlich den Autoschlüssel“, wunderte sich die Richterin. „Ich hatte sogar die Papiere“, parierte Lutz L. „Meine Frau hatte keine Tasche dabei.“ Seit dem Unfall tränke er allerdings keinen Tropfen mehr, versicherte der Angeklagte. „Ich war zur Entgiftung, jetzt gehe ich regelmäßig zu den anonymen Alkoholikern.“
„Eine Entgiftung im geschützten Raum hält fast jeder durch. Wesentlich ist das, was danach kommt. Warum machen Sie keine Langzeittherapie? “, hakte die Vorsitzende nach, stieß damit offensichtlich auf einen wunden Punkt. „Davor habe ich Angst. Das hatte ich schon mal. Da bohren sich die Psychologen bis in die früheste Kindheit durch“, entgegnete der Hartz-IV-Empfänger.
Die vom Gericht ausgesprochene Sperrfrist zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis ist übrigens rein theoretischer Natur. Bevor sich Lutz L. wieder ans Steuer eines Kraftfahrzeugs setzen darf, muss er den „Idiotentest“ bestehen. Vor Jahren fiel er schon einmal durch den psychologischen Teil. Darauf trank er erst mal einen. „Für eine neue Untersuchung habe ich sowieso kein Geld“, stellte er klar. (*Name geändert.) Hoga
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