Vergessener Fünfjähriger: Mehrfach verzählt
UPDATE. Vier Erzieherinnen der Kita „Märchenland“ geraten weiter in Erklärungsnot und müssen mit Konsequenzen rechnen.
Stand:
Vier Erzieherinnen der Kita „Märchenland“ geraten weiter in Erklärungsnot. Denn nach Polizeiangaben sollen die Frauen sogar rund eine Stunde lang nicht bemerkt haben, dass sie bei einem Ausflug mit einer Kinder-Gruppe einen fünfjährigen Jungen in einem Linienbus vergessen hatten. Wie Bundespolizeisprecher Meik Gauer am Donnerstag bestätigte, sei der verängstigte Junge am Dienstag gegen 12.30 Uhr in einem Bus der Linie 695 bemerkt worden. Erst eine Stunde später, um 13.30 Uhr, hätten vom Busfahrer hinzugerufene Bundespolizisten die Kita des Jungen ermittelt und dort angerufen, sagte Gauer. So hätten es die Kollegen in den Protokollen zu dem Einsatz vermerkt.
Dagegen beteuern die vier Erzieherinnen, dass ihnen lediglich eine halbe Stunde nicht aufgefallen sei, dass von der ursprünglich 33-köpfigen Kindergruppe ein Junge fehle. Das sagte Astrid Goethe, Chefin des Internationalen Bunds (IB) in Brandenburg, der die „Märchenland“- Kita betreibt. Die Erzieherinnen hätten ihr gesagt, nach dem Aussteigen aus dem 695er-Linienbus am Alten Markt habe die Gruppe mit der Straßenbahn und anschließend zu Fuß noch etwa eine halbe Stunde bis zur Kita „Märchenland“ in Drewitz benötigt. Als sie dort ankamen, hätte die Polizei gerade angerufen und den am Hauptbahnhof gefundenen Jungen gemeldet.
Bemerkenswert: Auch nach dem Ausstieg aus der Tram in Drewitz sei laut den Erzieherinnen noch einmal gezählt worden, sagte Goethe – erneut falsch. „Sie können sich das alles nicht erklären.“ Die Reue über den Vorfall sei groß. Als eine Konsequenz werde es einen Handlungsleitfaden für Ausflüge und speziell zum Zählen geben. „Wir müssen festlegen: Wer zählt von vorn, wer von hinten.“ In der Situation am Dienstag habe es schnell gehen müssen, da auch eine Anschlussbahn erreicht werden sollte – die Erzieherinnen hätten „unter Druck“ gestanden. Künftig müsse im Zweifelsfall eben auch mal eine Bahn später genommen werden, sagte Goethe.
Die IB-Chefin kündigte an, dass alle vier Erzieherinnen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Ob diese zum Beispiel eine Abmahnung erhalten, ließ Goethe offen. Gekündigt würden die Angestellten aber nicht. Zugleich ermittelt die Polizei gegen die vier Frauen wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht. Laut Strafgesetzbuch können Personen, die Schutzbefohlene in Gefahr bringen, mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.
In der Stadtverwaltung ging gestern Vormittag der Bericht des Internationalen Bunds zu dem Vorfall ein. Darin habe der Sozialträger das individuelle Versagen der Erzieher eingeräumt und Konsequenzen wie etwa verschärfte Regeln bei Ausflügen angekündigt, sagte Jugendamtschef Norbert Schweers den PNN. Da sich der Kita-Betreiber kooperativ verhalte, um Besserung bemüht sei und es sich um einen Einzelfall handele, werde das Jugendamt keine weiteren Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen. Zugleich bestätigte Schweers die IB-Aussagen, dass bei dem Ausflug ausreichend Personal zugegen war. Demnach darf ein Erzieher – egal ob er in der Kita oder bei einem Ausflug ist – allein maximal auf 12 Kinder aufpassen. Die vier Frauen hätten also bis zu 48 Kinder beaufsichtigen können. H. Kramer
H. Kramer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: