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Sport: „Meine Beine sind gelaufen und ich bin irgendwie hinterher“

Mittelstreckenläuferin Kathleen Friedrich über den Fußball, ihre verpasste Olympianorm und die angestrebte Arbeit mit Medien

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Mittelstreckenläuferin Kathleen Friedrich über den Fußball, ihre verpasste Olympianorm und die angestrebte Arbeit mit Medien Kathleen, wer soll Fußball-Bundestrainer werden? Das ist egal, es scheint sowieso keiner machen zu wollen außer Lothar Matthäus. Wir werden bei der Weltmeisterschaft 2006 nur vorne mitspielen, wenn Ailton für die deutsche Nationalmannschaft spielen darf. Sie gelten als fußballbegeistert. Wir spielen auch immer in der Trainingsgruppe, mit Antje Möldner und den Jungs. Aber viel lieber schaue ich Fußball, jede Woche Bundesliga. Da tendiere ich zu den Vereinen, die mir den schönsten Fußball anbieten Oder zu den Mannschaften, die die schönsten Fußballer anbieten? Nein, das weniger. Werder Bremen hat mich begeistert, und auch Bochum. Ich gucke auf die Mannschaften, die aus wenig viel machen. Woher kommt Ihre Begeisterung für Fußball? Durch meinen Bruder. Der ist vier Jahre älter und wollte früher immer Fußball gucken, ich aber Trickfilme. Irgendwann haben ich gesagt, der Klügere gibt nach. Nun sind Sie Leichtathletin und wurden am Sonntag zum fünften Mal in Folge Deutsche Meisterin über 1500 Meter. Die Olympianorm haben Sie knapp verpasst. Wir wollten eine gute Zeit laufen und nicht so ein Bummelrennen wie im letzten Jahr. Antje Möldner sollte 800 Meter Tempo machen, damit wir wenigstens noch einmal alles versuchen. Das es schwer wird, war klar. Ich wollte wieder Deutsche Meisterin werden, alles andere wäre eine Niederlage gewesen. Ein Rückblick ist am Anfang der Saisonhöhepunkte schwer, dennoch: Wo sind vom Winter bis zum heutigen Tag die 53 Hundertstelsekunden zur Olympianorm auf der Strecke geblieben? Es kommt darauf an, ob man die Saison als Niederlage mit der verpassten Olympianorm oder als Gewinn sieht. Ich sehe sie an erster Stelle als Gewinn. Kaum einer hat erwartet, dass ich noch einmal zurück komme. Selbst der Bundestrainer hatte mich abgeschrieben – und er war nach meinem guten Auftakt im Frühjahr so ehrlich, mir das zu sagen, und hat mir wieder das Vertrauen ausgesprochen. Das geschafft zu haben, darauf bin ich stolz. Die fehlende halbe Sekunde liegt vielleicht in der Vorbereitung, die ich im Mai wegen einer bakteriellen Infektion drei Wochen lang mit Antibiotika behandeln musste. Dadurch fehlte vielleicht jetzt die Tempohärte, die mich in Lausanne weiter voran gebracht hätten. Es gibt eine Parallele zum Jahr 2000. Damals haben Sie bis zu den Deutschen Meisterschaften die Olympianorm nicht geschafft, erst fünf Tage später. Sie wurden dennoch nicht bedacht. Nun stehen Sie wieder nur knapp über der Norm, bevor der Deutsche Leichtathletik-Verband am Mittwoch die Athleten nominiert. Wie schätzen Sie Ihre Chance ein, doch noch nominiert zu werden? Ich rechne nicht mit einer Nominierung. Meine Informationen sind, dass der DLV keine Ausnahmen berücksichtigen wird, weil er denkt, dass es beim Nationalen Olympischen Komitee nicht durchkommen wird. Zwar existiert eine internationale B-Norm, die vom DLV meines Wissens nach jedoch keine Berücksichtigung finden wird. Obwohl ich überglücklich wäre, wenn ich noch eine Ausnahme bekäme. Sie hatten Ihre große Chance beim Grand Prix in Lausanne, als sie 4:08,01 Minuten liefen. Das ich dort momentan nicht ganz vorne mitrennen kann, war mir klar. Ich habe momentan nicht das Leistungsvermögen von vier Minuten und einer Sekunde. Aber richtig ist, wenn die Olympianorm hätte fallen müssen, dann dort, weil alles gegeben war. Man muss aber bedenken: In Lausanne war die absolute Weltspitze am Start. Ich hatte dort Zwischenzeiten, die waren deutlich besser als bei meinem Rennen von 4:06,33 Minuten in Kassel. Das Problem aber war, dass die letzten 300 Meter langsamer waren als in Kassel. Dort bin ich die letzten Meter geflogen. Meine Beine sind gelaufen und ich bin irgendwie hinterher. Das Gefühl hatte ich zuletzt nicht mehr. Für einen Lauf direkt in der Spitzengruppe fehlt mir noch das nötige Selbstvertrauen. Sie sind 26 Jahre alt und haben nach jetzigem Stand Olympia zwei Mal knapp verpasst. Denken Sie an einen neuerlichen Anlauf Richtung Olympische Spiele? Ich werde am Dienstag 27, fühle mich aber jünger. Gerade im Frauen-Mittelstreckenbereich kommen die besten Jahre erst mit 27 bis 29. Das vergangene Jahr hat mich unheimlich bewegt und ich bin stolz, dass wir es so weit geschafft haben. Im nächsten Jahr sind Weltmeisterschaften, und ich will auf jeden Fall zu olympischen Spielen, dem Traum wohl jedes Sportlers. Dann wäre ich 31. Woher kommt die Motivation, nach einem Jahr wie dem letzten, in dem bis auf den deutschen Meistertitel wenig gelang, zu sagen: Ich will die Olympianorm von 4:05,80 Minuten und nach Athen? Im Vorjahr hat gar nichts geklappt. Nach Leverkusen, meinem letzten Wettkampf, habe ich meine Taschen gepackt und bin nach Erfurt. Ich war mir ganz sicher umzuziehen. Ich wollte wieder nach Potsdam und habe auch mit dem Gedanken gespielt, ob ich nicht besser aufhöre, weil von vielen Seiten der Zuspruch nicht mehr da war. Dann habe ich mich mit Peter Rieger, dem Geschäftsführer des SC Potsdam, unterhalten. Der stand von Anfang an zu mir und sagte, hör bloß nicht auf. Das hat mir gut getan, denn es gab doch noch Leute, die etwas von mir halten. Und das rechne ich ihm ganz hoch an. Welche Bedeutung hat Potsdam für Sie? Dieses Jahr ist so viel passiert mit mir. Als ich nach Potsdam kam, war ich physisch und psychisch am Boden. Es kann wohl kaum einer nachvollziehen, was es für mich für eine innerliche Befriedigung war, wieder in Potsdam zu sein. Ich bin so glücklich mit jedem Dauerlauf, den ich durch den Wildpark oder den Neuen Garten absolviere, und es bestätigt sich für mich, dass es die beste Entscheidung seit langem war. Es gab hier in Potsdam von allen Seiten Zuspruch, auch vom Olympiastützpunkt. Und ich hatte wieder das Gefühl: Hee, dass war noch nicht alles. Ich hatte bis dahin schon so gute Leistung gebracht. Zwar war meine Selbstvertrauen in den Minusbereich gesunken, aber es war noch so viel da, um angreifen zu wollen. Und zwar dort, wo ich mich am wohlsten fühle – von Potsdam aus. Wohl fühlen in Potsdam und auf der 1500 Meter-Strecke. Warum nicht die 800 Meter, über die Sie bei Ihrem Lauf in Erfurt die Olympianorm nur um zwei Sekunden verpasst haben? Zwei Sekunden sind über 800 Meter sehr viel, dass ist anders als über 1500 Meter. Das hätte nicht gereicht, aber ich will nun in diesem Jahr noch eine neue Bestleistung rennen. Und die ist auf jedem Fall drin. Ich denke auch, irgendwann unter zwei Minuten zu rennen. Ich bringe für die 1500 Meter eine sehr gute Grundschnelligkeit und Ausdauer mit. Daher denke ich, dass diese Strecke optimal für mich ist. Sie wirken geradezu euphorisch nach der verpassten Olympiachance. Ich jubele nicht und sage, toll, Olympia verpasst. Aber die Saison ist ein Gewinn für mich. Meine Trainerin Beate Conrad hat mir den Spaß am Laufen zurück gegeben. Jetzt will ich noch ein paar 800-Meter-Läufe machen und zum Abschluss beim ISTAf laufen. Dort die Olympianorm zu unterbieten, wäre zumindest für mich eine Bestätigung. Welchen Anteil hat ihre Trainerin am bisherigen Saisonverlauf? Ich habe Ihr viel zu verdanken. Sie geht auf jeden Athleten ein und sieht uns nicht als Rennmaschine, in die man Trainingsdaten und Normzeiten eingibt und ein Ergebnis erwartet. Der Kopf spielt bei mir eine wichtige Rolle, und das nimmt Beate war. Sie sind seit einem Jahr nicht mehr in der Bundeswehr und aus der Sporthilfe gestrichen worden. Wie geht es für Sie weiter? Im letzten Jahr habe ich gemeinsam mit Manuela Mucke eine Wehrübung im Sanitätszentrum Potsdam erhalten, wieder die Aufnahme in die Sportfördergruppe beantragt und für den Studiengang europäische Medienwissenschaft an der Universität Potsdam beworben. Wie vertragen sich Hochleistungssport und Studium? Ein Florian Schwarthoff hat es vorgemacht, andere auch. Ich habe mich als eine von tausend auf die dreißig Studienplätze beworben und absolviere inzwischen nebenbei Sprecherziehung. Mit dem Ziel, Monika Lierhaus in der ARD-Sportschau zu beerben? Kommentieren, Moderieren oder vor der Kamera, hinter der Kamera, dass kann ich jetzt nicht sagen. Im letzten Jahr war ich mit der ARD in Paris und habe dabei festgestellt, genau das will ich machen. Man sitzt vor dem Fernseher und sagt schnell, was erzählt der da. Es war eine tolle Erfahrung, auch mal die Seiten der Kamera zu wechseln. Das Gespräch führte Jan Brunzlow

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