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Von Heike Kampe: „Menschen sind mir wichtig“

Carola Wolf ist eine Gründerin des Forums Ost-West e.V. Potsdam. Heute wird sie vom neuen Bundespräsidenten Wulff geehrt

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Es ist nicht die erste Ehrung, die Carola Wolf am heutigen Abend erfahren wird, doch es ist eine ganz besondere. „Freude, Veränderung, Zusammenhalt – 20 Jahre deutsche Einheit“ – unter diesem Motto empfängt der frisch gebackene Bundespräsident etwa 5000 geladene Gäste zum Sommerfest im Park des Schlosses Bellevue. In diesem Jahr findet es zu Ehren zahlreicher ehrenamtlich engagierter Menschen statt, die sich nicht nur um die äußere, sondern auch um die innere Einheit Deutschlands verdient gemacht haben.

Den Repräsentanten von zwölf ausgewählten Projekten wird Christian Wulff heute ganz persönlich danken. Zu ihnen zählt auch die seit 1996 in Potsdam lebende Carola Wolf. Die Publizistin, Journalistin und ehemalige Pressesprecherin des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Fulda ist eine der Gründerinnen des Forums Ost-West e.V. Potsdam, das seit 1992 besteht. „Wir fanden es nötig, dass Menschen mit Ost- und Westbiographie zusammen kommen, um anhand von Sachthemen miteinander ins Gespräch zu kommen“, schildert Carola Wolf die Grundidee des Forums, das seinen Sitz in der Heimvolkshochschule am Seddiner See hat. Die Menschen, die die Tagungen besuchen, diskutieren über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Ost und West, tauschen neben handfesten Fakten und Informationen auch Lebensgeschichten aus und sehen anschließend manches mit anderen Augen.

Die Grundprinzipien, die den jeweils dreitägigen Zusammentreffen zugrunde liegen, sind außergewöhnlich. „Wir machen alles anders als andere Leute. Wir preisen uns nicht im Internet an, ich e-maile grundsätzlich nicht.“ Stattdessen erhalten die in der Adresskartei gespeicherten potentiellen Interessenten – derzeit sind es etwa 1500 – eine mit Schreibmaschine verfasste Einladung. Dabei wird eine Vorauswahl getroffen, denn die Teilnehmerzahl der Veranstaltungen ist auf 30 bis 40 begrenzt. Zu den Spielregeln gehört auch, dass die Presse grundsätzlich nicht anwesend ist und die Referenten sich selbst vorstellen. „Das hat sich sehr bewährt“, so Carola Wolf. Das Ergebnis dieser Vorgaben sei eine von gegenseitigem Respekt und Offenheit geprägte Gesprächsatmosphäre, in der die Menschen ihre Meinungen austauschten, aber auch über Gefühle und Fehler miteinander sprächen.

Auf der ersten Tagung im Herbst 1992 trafen Polizisten aus Ost und West aufeinander, um über das Thema „Feindesliebe“ zu diskutieren. „Das war so aufregend, dass die Teilnehmer beschlossen haben, das noch einmal mit einer anderen Thematik zu wiederholen“, erzählt Carola Wolf, die seit Bestehen des Forums dessen Vorsitzende ist. Diesem ersten Erfolg folgten zahlreiche weitere.

Mittlerweile hat das Forum Ost-West mehr als 70 Tagungen zu den unterschiedlichsten Themen organisiert. Derzeit laufen intensive Vorbereitungen für die nächste Tagung, die unter dem Motto „Krieg und Frieden“ stattfindet. Zunehmend geht es bei den Veranstaltungen nicht mehr nur um den innerdeutschen Dialog, sondern auch um die Verständigung mit europäischen Nachbarländern. In den letzten Jahren wurden im Seminarhaus etwa Gäste aus Polen, Ungarn, Russland oder der Slowakei empfangen. Etwa fünf Jahre sollte das Forum ursprünglich arbeiten. Mittlerweile besteht es seit 18 Jahren, und nach wie vor sei Gesprächsbedarf vorhanden, so Carola Wolf. „Bis jetzt musste keine einzige Tagung wegen mangelnden Interesses abgesagt werden“. Bei ihren Reisen durch die Republik und ihren Gesprächen mit den Menschen stellt sie fest, dass auch nach 20 Jahren deutscher Einheit viele Missverständnisse vorhanden seien. „Es gibt keinen Kontakt mit dem jeweiligen Alltag“, stellt sie fest.

„Ich bin ein Gegenwartsmensch“, sagt Wolf von sich. Doch beeindruckt ist sie immer wieder davon, wie äußere Umstände menschliche Biographien beeinflussen. „Wir werden durch Geschichte und Geschichten geprägt“, betont sie.

Heike Kampe

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