Landeshauptstadt: Militärmuseum in der Fähnrichschule?
Vom Blüchersäbel bis zum Offiziersrock des IR 9: Förderverein hat schon mehr als 3000 Stücke gesammelt
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Vom Blüchersäbel bis zum Offiziersrock des IR 9: Förderverein hat schon mehr als 3000 Stücke gesammelt Von Erhart Hohenstein Ein originaler Majorsrock des Infanterieregiments Nr. 9 (IR 9) zählt zu den Raritäten, die Volker Schobeß beim Gang durch das Depot zeigen kann. In diesem Regiment dienten bekanntlich mehr als 20 Offiziere, die im Widerstand gegen Hitler nach dem fehlgeschlagenen Attentat vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurden. In den Räumen, die in einer Bundeswehrkaserne am Stadtrand angemietet werden konnten, hat der vom früheren Potsdamer Standortältesten Oberst a. D. Burkhart Franck geleitete Förderverein Militärmuseum Brandenburg-Preußen e.V. seine Sammlung eingelagert, die teils seltene und äußerst wertvolle Stücke umfasst. So kann Vereinsgeschäftsführer Schobeß auf eine bereits mehr als 2000-bändige Bibliothek hinweisen. Auch hat ein Mitglied des Adelsgeschlechtes v. Schwerin dafür die erste deutsche Gesamtausgabe der Werke Friedrichs des Großen gespendet. Von besonderem Wert sind Regimentsgeschichten und Kriegstagebücher, die die lokale und persönliche Sicht auf die Ereignisse wiedergeben. 145 Orden füllen Stahlschrankfächer, die teuersten der heute zu hohen Preisen gehandelten Kriegsauszeichnungen ruhen allerdings sicherheitshalber im Tresor. Die Sammlung von Hieb- und Stichwaffen kann mit einem Säbel aufwarten, der wahrscheinlich aus den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 stammt, und zwei nach russischem Vorbild angefertigten und nach dem berühmten Feldmarschall benannten „Blüchersäbeln“. Die Fotosammlung enthält u.a. um 1900 entstandene Ablichtungen aller Potsdamer Regimenter und ein Album über das IR 9 in den Jahren 1940/41. Prachtvoll präsentieren sich zahlreiche Fahnen und Feldzeichen, ebenso an die 500 Gemälde, Zeichnungen und Karten. 800 Zinnfiguren stellen alle am Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) beteiligten Truppenteile dar. Mit alten Feldtelefonen sind die Nachrichtentruppen und mit einem Sägemesser zur Überwindung von Stacheldrahthindernissen die Pioniere vertreten. In dem historischen Bogen, der sich von der Kurfürstenzeit bis in die Zeitgeschichte spannt, werden die DDR-Volksarmee und die Sowjetischen Besatzungstruppen keineswegs ausgegrenzt. So findet man naive, strahlende Helden zeigende Kupfertreibarbeiten, mit denen sich „Kolja“ die Zeit vertrieb, ebenso wie die Uniform und die komplette Ausrüstung des NVA-Generalmajors Hans-Georg Löffler. Löffler ist neben interessierten Laien und Bundeswehrangehörigen wie auch andere Angehörige der ehemaligen Volksarmee Mitglied des Fördervereins. Geschäftsführer Schobeß nennt in diesem Zusammenhang Oberst a. D. Hans Georg Kampe, der die Bestände des Museums erfasst und bearbeitet. Die fachliche Kompetenz wird durch Militärhistoriker und Heereskundler gewährleistet, so den im Stadtmuseum Spandau arbeitenden Manfred Paul Schulze oder den Potsdamer Universitätshistoriker Dr. Lutz Partenheimer. Was aber fängt der Förderverein mit seiner inzwischen auf weit über 3000 Stücke angewachsenen Sammlung an, wenn er sie nicht zeigen kann? Er spezialisiert sich derzeit auf kleinere Sonderausstellungen, antwortet Volker Schobeß. So wurde die Exposition „Preußische Kadetten“ im Wustrauer Zietenmuseum von rund 10 000 Interessenten besucht und wird ab 20. März im anhaltinischen Annaburg gezeigt. Für das nächste Jahr bereitet der Verein eine Ausstellung über die brandenburgischen Garnisonen vor. Regionale Museen sind dafür dankbare Abnehmer. Die Suche nach einem Museumshaus wird fortgesetzt. Dafür würde sich die alte Fähnrichschule in der Potsdamer Kirschallee eignen. Die relativ hohen Sanierungskosten machen den 1999 gegründeten Verein nicht mutlos. Er ist bundesweit bereits auf 180 Mitglieder angewachsen, verfügt über ein gutes, wenn auch ausbaufähiges Spendeneinkommen und hofft auf Förderung. Dass Brandenburg als Kernland Preußens im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch nicht über ein eigenes Militärmuseum verfügt, empfinde er als kulturhistorisches Defizit, erklärt der Vorsitzende, Burkhart Franck. Er verweist darauf, dass selbst Bayern auf der Burg Kulmbach ein solches Museum eröffnet hat. Die Sammlung wertvoller Militaria aus der Zeit Friedrichs des Großen, zuvor vergeblich einer Potsdamer Institution angeboten, hat sich zu einem Besuchermagneten entwickelt. Überzeugt ist der Vereinsvorstand auch, dass er in einer künftigen Dauerausstellung des Museums die brandenburgisch-preußische Militärgeschichte in allen Schwerpunkten anschaulich darstellen kann. Dazu reicht die bisherige Sammlung zwar nicht aus, doch werden dem Verein zahlreiche Privatsammlungen als Schenkung oder Leihgabe angeboten. Als herausragendes Beispiel nennt Volker Schobeß die komplett übergebene Moltke- Stiftung. Die 147 Erinnerungsstücke spiegeln Leben und Wirken des Grafen Helmuth von Moltke wieder. Er trug als Generalstabschef wesentlich zum Erfolg der so genannten Einigungskriege bei, an deren Ende 1871 die Gründung des Deutschen Reiches stand.
Erhart Hohenstein
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