
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Millionenrisiko für die Stadtkasse
Rechtsstreit zur Biosphäre geht in die entscheidende Phase – und behindert Zukunftspläne für die Halle
Stand:
Hinter den drei Aktenzeichen „6 O 128/06“, „6 O 138/06“ und „6 O 321/09“ verbirgt sich für Potsdam ein Millionenrisiko. Es handelt sich um Zivilverfahren, die am Potsdamer Landgericht zur Biosphäre anhängig sind – und deren Streitwert sich auf eine Gesamtsumme von 4,63 Millionen beläuft. Das bestätigte Gerichtssprecher Frank Tiemann. Bei den Prozessen geht es nach PNN-Informationen um strittige Kosten für den Bau der Biosphäre. Eine erste Verhandlung soll am 27. Februar nächsten Jahres stattfinden. Wegen der vielen Prozessbeteiligten sei der große Saal des Verfassungsgerichts neben dem Justizzentrum in der Jägerallee ausgewählt worden, sagte Tiemann.
Geklagt gegen die Stadt Potsdam haben laut Tiemann die Firmen Bauunion Potsdam sowie Kruppstahl Berlin. Deren Anwaltskanzlei aus Berlin ließ eine PNN-Anfrage zum Inhalt der Zivilklage unbeantwortet. Auch die Stadtverwaltung hüllt sich zu Details des Verfahrens in Schweigen. Klar ist nur, dass es um strittige Baukosten geht – um was genau gestritten wird, ist unklar. Nähere Angaben konnte auch Gerichtssprecher Tiemann nicht machen. Allerdings habe allein das Verfahren im Februar einen Streitwert von 2,5 Millionen Euro. Bei einem weiteren Rechtsstreit in derselben Prozess-Konstellation geht es noch um 1,7 Millionen Euro. Ein drittes Verfahren, bei dem sich laut Tiemann Potsdam und eine Arbeitsgemeinschaft Biosphäre streiten, dreht sich um 430 000 Euro. Termine für die beiden anderen juristischen Auseinandersetzungen gibt es laut Tiemann noch nicht. Für den Fall, dass die Stadt die Verfahren verlieren sollte, hatte die Verwaltung bereits im vergangenen Jahr bestätigt, Rücklagen in Höhe von 3,6 Millionen Euro gebildet zu haben. Ob diese angesichts des Gesamtstreitwerts von besagten 4,63 Millionen Euro noch einmal erhöht worden sind, konnte Stadtsprecher Markus Klier Ende der vergangenen Woche nicht sagen. Bereits 2009 musste die Stadt nach einem Rechtsstreit zu Architektenhonoraren 950 000 Euro für die Tropenhalle zahlen.
Die aktuellen Verfahren sind nicht nur ein Millionen-Risiko für die Stadt, sie behindern auch die Planungen für die Zukunft der defizitären Tropenhalle. Wie berichtet hatten die Stadtverordneten vor einem Jahr beschlossen, dass sich die Stadt von einem über fünf Jahre verfolgten Plan verabschiedet, für die zur Bundesgartenschau 2001 errichtete Tropenhalle wieder einen privaten Betreiber zu finden. Zugleich beschlossen die Stadtverordneten, ein 100 000 Euro teures Gutachten zur Zukunft der Biosphäre erstellen zu lassen.
Bislang gibt es für die für 29 Millionen Euro errichtete Halle drei Szenarien: Entweder soll die Biosphäre als Tropenhalle weitergenutzt werden, oder aber zu einer Multifunktionshalle mit Kitas, einem Jugend- und Seniorentreff, einem Restaurant und einem Laden umgebaut werden. Dazu könnten ein Skater- oder Kletterpark oder ein Indoor-Spielplatz integriert werden. Als dritte Variante wurde selbst der Abriss nach 2017 erwogen - denn die Halle muss bis November 2017 als „touristische Einrichtung“ betrieben werden, sonst droht die Rückzahlung von bis zu 21,5 Millionen Euro Fördergeldern.
Doch das beschlossene Gutachten hat die Stadtverwaltung noch nicht einmal in Auftrag gegeben, wie Stadtsprecher Klier bestätigte. Ein Grund: Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Bau der Halle seien bislang nicht abgeschlossen. Dazu werde aktuell geprüft, ob das ursprünglich für den Badneubau am Bornstedter Feld vorgesehene Grundstück südlich der Biosphäre als Neubaufläche für eine Grundschule geeignet sein könnte. Damit stelle sich die Frage, ob beispielsweise der nötige Schulhort ebenfalls in das Gebäude der Biosphärenhalle integriert werden könnte. „Daher stehen die Rahmenbedingungen und Nutzungsanforderungen für mögliche Umbaumaßnahmen noch nicht fest, sodass bis dato eine belastbaren Planungsgrundlage fehlt“, erklärte Klier. Auch der kommunale Entwicklungsträger für das Bornstedter Feld, eine Tochter der Bauholding Pro Potsdam, hatte bereits signalisiert, in der Biosphäre in kurzer Zeit einen Jugendklub unterbringen zu können – sei es als Provisorium, sei es als Dauerlösung. „Daran hat sich nichts geändert“, sagte Pro-Potsdam-Sprecher Sebastian Scholze den PNN. Der Klub könnte laut der Pro Potsdam im Verwaltungstrakt der Tropenhalle entstehen, die Jugendlichen hätten dann sogar einen eigenen Eingang.
Die Tropenhalle ist für die Stadt dauerhaft eine finanzielle Belastung, seitdem 2007 dem ersten privaten Hallen-Betreiber das Geld ausgegangen war. Danach scheiterten zwei Ausschreibungen, inzwischen betreibt eine Tochterfirma der Pro Potsdam die Halle, deren Vertrag laut Klier noch einmal bis Ende 2014 verlängert worden ist. Seit 2011 zahlt die Stadt jährlich rund eine Million Euro an Zuschüssen für den Betrieb, in den Jahren zuvor war von noch höheren Beträgen die Rede. Dazu haben sich nach Angaben von Klier allein die Rechts- und Beratungskosten für die Biosphäre seit 2008 auf knapp 200 000 Euro summiert. Zumindest aber hat sich in diesem Jahr die Zahl der Besucher stabilisiert – im vergangenen Jahr war mit 122 000 Gästen ein Tiefpunkt erreicht. In diesem Jahr werde sich der Wert wohl bei 155 000 Gästen einpegeln, sagte Klier. Einst geplant waren allerdings rund 300 000 Gäste pro Jahr. Henri Kramer
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