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Homepage: Mit allen und für alle Abschied von FH-Prof. Frieder Burkhardt

Er wollte wirken unter den jungen Leuten, ohne Anbiederung, ohne Regelwerk, statt dessen mit Geduld, Menschenliebe und Freiheit. In den 70er Jahren trafen sich manchmal 40 Leute in der Wohnung des Dresdner Jungpfarrers Frieder Burkhardt.

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Er wollte wirken unter den jungen Leuten, ohne Anbiederung, ohne Regelwerk, statt dessen mit Geduld, Menschenliebe und Freiheit. In den 70er Jahren trafen sich manchmal 40 Leute in der Wohnung des Dresdner Jungpfarrers Frieder Burkhardt. Heute noch bedeutet für ihn Jugendarbeit, „mit allen, für alle“. Gestern wurde Frieder Burkhardt, der seit 1992 Professor an der Fachhochschule Potsdam ist, mit der Tagung „Offene Jugendarbeit im vormundschaftlichen Staat DDR“ aus dem aktiven Berufsleben verabschiedet. Gut 150 Zuhörer füllten am Morgen den Saal an der FH, unter ihnen Kollegen und Studenten des scheidenden Professors für Sozialethik, Soziale Philosophie und Sozialgeschichte.

In lebendigen Vorträgen berichteten Frieder Burkhardt und Karl-Rudi Pahnke, der an der evangelischen Akademie Berlin arbeitet, von ihren Erfahrungen in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit in den 70er Jahren der DDR. Burkhardt nennt die DDR ein „durstiges Land“, wobei er Durst mit Lebendigsein und gleichzeitig mit Leersein assoziiert. Die Kirche damals sei noch von den Nazis vergiftet gewesen, so der Professor: „Ich wollte aber nicht verlogen sein.“ So habe er damals Themen diskutiert, die selbst heute nach Meinung von Burkhardt oft fehlen. Freiheit war eines davon, ein Begriff, der immer wieder im Vortrag auftauchte: Die Freiheit hatte es schwer in der DDR, erzählte Burkhardt und berichtete von einem jungen Mann, der am 35. Jahrestag der DDR symbolisch mit einer Lampe durch die dunkle Kirche lief und umsonst die Freiheit suchte. Einiges haben sie auf die Beine gestellt, darunter ökomenische Großveranstaltungen mit hunderten von Jugendlichen, Kabarett und unangemeldeten Tanz. Zuviel Bewegung für den totalitären Staat. Die Stasi beobachtet selbst, wenn Burkhardt im Imbiss vor dem Bahnhof eine Bockwurst aß . Burkhardt zeigt die Seite der Stasiakte und lacht: „Das hätt“ ich ohne die gar nicht mehr gewusst.“

Der Theologe Karl-Rudi Pahnke war in den 70er Jahren ebenfalls Jugendpfarrer in der DDR gewesen. Karl-Rudi Pahnke arbeitete in Berlin Prenzlauer Berg mit Jugendlichen zusammen. In seinem Viertel wurden Wohnungen besetzt und Künstlerkommunen gebildet Viel geraucht hätte er damals, erzählte Pahnke grinsend, und man merkte, dass er gerne Jugendpfarrer war. Viele Jugendliche hatten damals Probleme mit den Eltern oder dem Staat. Wer nicht arbeitete, galt in der DDR bereits als „kriminell gefährdet“ und konnte inhaftiert werden, erzählt Pahnke. Für einen Jugendlichen, der insgesamt zweieinhalb Jahre im Knast verbrachte, und den die DDR später in eine schimmelige Wohnung steckte, setzte sich der Pfarrer ein, machte Fotos und bat um eine bessere Wohnung. Dafür wurde er dann von Verantwortlichen angebrüllt, er solle sich nicht in DDR-Angelegenheiten einmischen. Pahnke kommunizierte mit dem Mann, er hätte die Fotos ja nicht dem Westen gezeigt, und der Jugendliche kriegte eine bessere Wohnung. Auch Pahnke wurde von der Stasi überwacht, selbst vom eigenen Praktikanten. „Etwa 17 000 Jugendliche haben am Ende der DDR für die Stasi gearbeitet“, erzählt der Theologe: „Heute sind diese Leute wahrscheinlich psychisch gestört, wenn ihnen bewusst wird, was sie angerichtet haben“.

Am Nachmittag wurde Prof. Frieder Burkhardt offiziell von der Fachhochschule Potsdam verabschiedet. „Eine lange Ära der gegenseitigen Hochachtung findet heute ihr Ende“, formulierte Prof. Peter Knösel. Letzten Montag war Frieder Burkhardt 65 Jahre alt geworden. Jetzt will der Professor erst einmal kürzer treten. Der fünffache Vater hat aber schon Ideen für die Zukunft: In Michendorf bei Potsdam, wo er heute lebt, will er mit Jugendlichen arbeiten und Projekte gegen Rechts initiieren. Auch in der eigenen Großfamilie, sein Jüngster ist fünf Jahre alt, Enkel gibt es auch, will er „Orientierungsarbeit“ leisten. Er will die Kinder lehren, wachsam zu bleiben und ihnen Alternativen zum Fernsehen zeigen. Ein aktiver Ruhestand also. Marie Preissler

Marie Preissler

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