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Etwas HELLA: Mit Beinen unten dran

Manchmal liest man Sätze, die hauen einen einfach um. Die Chefin des Bornstedter Friedhofs hat einen solchen gesagt.

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Manchmal liest man Sätze, die hauen einen einfach um. Die Chefin des Bornstedter Friedhofs hat einen solchen gesagt. Im Zusammenhang mit der wilden Parkerei in der Ribbeckstraße und dem angeblich zu weitab liegenden Parkplatz meinte sie: „Der liebe Gott hat jedem zwei Beine geschenkt und wenn die funktionieren, sollte man sie auch nutzen.“ Selbst Landesdiener haben übrigens welche und man kann annehmen, dass sie es trotz der Bürde immenser Verantwortung zu Fuß bis zum Krongut schaffen, wenn dort wieder mal die Jahresfete gefeiert wird. Abgesehen davon sollte man manchen Menschen aber die Körperfortsätze hin und wieder auch ganz konkret zeigen. Unten, das mit den Füßen dran, das sind die Beine. Ich kenne nämlich Leute, die würden am liebsten mit dem Auto auch noch aufs Klo fahren, wenn nur die Wohnungen groß genug dafür wären.

Es soll mir jetzt aber nicht um die Menschen mit Rädern unten dran gehen, die schnell mal das Auto auf dem Bürgersteig oder dem Radweg parken – Letzteres nimmt gerade wieder erschreckend zu und Sie wissen ja, ich bin ein unverbesserlicher Radfahrer, wozu ich übrigens auch meine Beine brauche – sondern generell um die Wiederentdeckung der unteren Extremitäten. Mit denen kann man nämlich eine Menge machen, zum Beispiel wandern, spazieren gehen, laufen, rennen und demonstrieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich nach den staatlich verordneten Demonstrationen in der DDR, zum Beispiel am 1. Mai, mal wieder so eine Lust auf Demos bekommen würde, auch wenn man sich dabei manchmal die Beine in den Bauch stehen muss. Zum Beispiel für das Landtagsschloss oder als Menschenkette rund um den Brauhausberg, um zu zeigen, dass wir dort unsere neue Schwimmhalle hinhaben wollen. Für sozialverträgliche Mieten durfte ich laufen und trotz einiger Kapuzengestalten fühlte ich mich dabei frohgemut und sicher. Wir in Potsdam sind eben doch keine Wutbürger, sondern Mutbürger mit Beinen unten dran.

Wer die als Behinderter nun wirklich nicht benutzen kann, der darf natürlich auch bei Demos mit seinem Rollstuhl vorfahren. Und weil wir Potsdamer so gerne demonstrieren – auch für die Belange der Behinderten – tun die das auch. Zum Beispiel bei der Demo, für die sich Potsdam mit all seiner Prominenz am Montag stark gemacht hat. Denn eines ist sicher, wenn Herr Plattner seine Kunsthalle doch noch im Lustgarten baut, wofür wir mit den Beinen in beachtlichem Maße abgestimmt haben, dann wird die garantiert behindertengerecht sein und sie wird natürlich auch für Besucher mit Handicaps offenstehen.

Durch die Demos im Kopf und an den Füßen gekräftigt und als Liebhaber von DDR-Kunst, werde auch ich einst in der Kunsthalle lustwandeln. Zu Fuß. Aber macht hinne, all ihr Beteiligten! Radfahrer leben trotz des Radwegeausbauprogramms noch immer gefährlich in dieser Stadt.

An dieser Stelle schreibt alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch Potsdam etwas heller wird.

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