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Zankapfel Kongsnaes. Der Wiederaufbau der norwegischen Matrosenstation beschäftigt seit einiger Zeit auch die Deutsche Unesco-Kommission. Die Äußerungen von deren Chef Walter Hirche werden von Investor und Projektgegnern aber verschieden gedeutet.

© dapd

Landeshauptstadt: Mit besonderer Bedeutung

Kongsnaes-Konflikt: Streit um Deutung der Position der Unesco / Anwohner sehen Hirche auf ihrer Seite

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Berliner Vorstadt - Im Dauerkonflikt um das Kongsnaes-Projekt des Berliner Unternehmers Michael Linckersdorff ist ein Streit um die Deutung der Position der deutschen Unesco-Kommission entbrannt. Während Unternehmer Linckersdorff jüngst mitteilte, bei einem Vor-Ort-Termin mit dem deutschen Unesco-Präsidenten Walter Hirche seien dessen Bedenken ausgeräumt worden, meldet sich nun am Montag die Initiative „Kein Kongsnaeskommerz!“ zu Wort: Sie habe Kenntnis von einem Schreiben Hirches an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erhalten, in dem dieser weiter „kritische Punkte“ anmahne und eine sorgfältige Prüfung der neuen Bauanträge fordere. Die Initiative hält die Planungen Linckersdorffs für überdimensioniert und befürchtet eine Kommerzialisierung des Welterbes, in dem die einstige kaiserliche Matrosenstation Kongsnaes liegt.

Dass der Präsident der deutschen Unesco-Kommission „sogar einen Termin vor Ort für angezeigt hielt“, belegt nach Meinung der Anwohner-Initiative, dass „die Unesco dem Gebiet entlang des Jungfernsees im Allgemeinen und dem Objekt Matrosenstation im Besonderen große Bedeutung beimisst“, so Sprecher Götz von Kayser. Daran würden sich Stadt und Investor zu orientieren haben. Außerdem begrüße die Initiative, dass Hirche in seinem Schreiben „für zentrale Kritikpunkte der Anwohner wie die Dimensionierung und Gestaltung des Küchenanbaus, die Größenordnung der Gastronomie und die damit limitierte Anzahl der Gäste“ eine Lösung anmahne. Auch gebe Hirche einen expliziten Hinweis auf die vom Verwaltungsgericht Potsdam im vergangenen Jahr gemachten Hinweise zur Verkehrs- und Lärmproblematik. Dies könne die Initiative „nur unterstreichen“, so von Kayser. Man hoffe, dass die Stadt sich um die Einhaltung der Hinweise kümmern werde.

Der Hintergrund des Projekts Kongsnaes: Direkt am Jungfernsee will Linckersdorff das alte Ensemble wieder aufbauen, das Kaiser Wilhelm II. nach einer seiner Nordlandfahrten 1892 bauen ließ und das in den letzten Kriegstagen 1945 abbrannte: die norwegische Matrosenstation Kongsnaes. Der Juwelier und Kunsthändler will die einstige „Ventehalle“ – früher ein Begrüßungspavillon – im Originalzustand als Restaurant mit 122 Plätzen wieder aufbauen. Außerdem will er einen 30 Meter langen Steg im Jungfernsee verankern, 30 Liegeplätze für historische Boote anlegen und die drei an Land vorhandenen Matrosenhäuser in norwegischer Holzbauweise sanieren. Das Grundstück hatte die Stadt zum Verkauf ausgeschrieben, Linckersdorff setzte sich mit dem Gebot von einer Million Euro durch. Im Kaufvertrag ist der Wiederaufbau der Ventehalle verankert. „Daran fühle ich mich gebunden“, sagt Linckersdorff. Doch kämpft er von Beginn an gegen heftigen Widerstand von Anwohnern. Denn Linckersdorff plant nicht nur den Aufbau des Denkmals. Wo sich früher direkt neben dem historischen Empfangspavillon die Bootshalle befand, skizziert er einen modernen Funktionsbau mit Küche, Sanitäranlagen und Sozialräumen. „Die Denkmalbehörde will einen modernen Bau als Kontrast“, erklärt der Investor.

Teilen der Anwohnerschaft geht das aber zu weit: „Nichts gegen die Matrosenstation, aber der Küchenbunker passt da nicht hin“, sagt Götz von Kayser. Zu groß und modern sei der Funktionsbau, zu problematisch die Verkehrsführung, zu gering das Parkplatzangebot. „Das ursprüngliche Ensemble verliert durch den massiven Klotz etwas von seiner Einzigartigkeit“, sagt Kayser und trifft damit den Nerv von Unesco-Kommissionschef Hirche. Er empfiehlt eine Orientierung an historischen Vorgaben. „Da gibt es sicher noch ein paar Nachfragen“, sagt Hirche.

Anwohner-Anwalt Reiner Geulen, ein renommierter Verwaltungsrechtsexperte, kontert Kongsnaes-Bauanträge regelmäßig mit Einsprüchen und Klagen. Zum Teil mit Erfolg: Das Potsdamer Verwaltungsgericht erklärte im vergangenen Jahr die ersten Baugenehmigungen für rechtswidrig. „Das Gericht monierte nicht nur Formalien, das ging an die Substanz des Vorhabens“, interpretiert Kayser den Richterspruch. Linckersdorff indes liest aus den richterlichen Hinweisen lediglich „formelle Mängel“. Inzwischen seien die Pläne überarbeitet, und dem Bauamt lägen fünf neue Bauanträge vor. Deutschlands oberster Welterbe-Hüter Hirche hält den Wiederaufbau des Denkmals „grundsätzlich für das Beste, was man machen kann“. Hirche kennt Potsdam noch aus seiner Zeit als Brandenburger Wirtschaftsminister von 1990 bis 1994 und betont daher: „Anders als früher will ich bei aufkeimenden Konflikten rechtzeitig mit den Verantwortlichen ins Gespräch kommen.“

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