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Etwas HELLA: Mit dem Klotz richtig klotzen

Ist er nun ein Stein des Anstoßes oder ein Hort der Toleranz, der Bau-Klotz Alter Markt 10? Darüber wird es wohl noch einigen Streit geben zwischen den Billig-Wohnraum-Erhaltern und den Vertretern einer edlen, dem historischen Grundriss angenäherten Mitte.

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Ist er nun ein Stein des Anstoßes oder ein Hort der Toleranz, der Bau-Klotz Alter Markt 10? Darüber wird es wohl noch einigen Streit geben zwischen den Billig-Wohnraum-Erhaltern und den Vertretern einer edlen, dem historischen Grundriss angenäherten Mitte. Denn ein architektonisches Highlight ist er nicht, dieser 08/15-Plattenbau, aber in ihm befinden sich 182 vorwiegend kleine, preiswerte Wohnungen und die sind in Potsdam mehr wert als ein Lottogewinn.

Dass der Wohnblock nun zusätzliche internationale und soziale Bedeutung bekommt, hat bei seinen Bewohnern natürlich sofort Jubel und spontane Freudenbekundungen ausgelöst. Die Phalanx der Gegner eines Hausabrisses bekommt durch Flüchtlinge, die mit knapper Mühe und Not aus ihren Ländern herausgekommen sind, Unterstützung. Sie sollen in 25 Wohnungen am Alten Markt 10 einziehen. Und so werden zur Begrüßung der Neuankömmlinge sicher gerade Blumensträußchen gekauft oder Kuchen gebacken und Kaffee aufgebrüht.

Erst einmal wurden allerdings – wie es sich für verantwortungsbewusste Menschen gehört – Bedenken angemeldet. Denn jeder weiß natürlich, dass Ausländer lärmen, komische Speisen kochen, die seltsam riechen, und dass es schwierig ist, mit ihnen ein Schwätzchen zwischen Tür und Angel zu machen. Besonders dann, wenn man die Korridortür ganz schnell hinter sich zuknallt.

Als Vertreter von Bedenken sind die Potsdamer übrigens sehr gut und wenn sich die Bedenken der Bürger und der Stadtverwaltung kreuzen, können Ent- und Beschlüsse manchmal ganz schön lange lahmgelegt werden. Manchmal aber lösen sie sich auch in Luft auf. Denn fremdenfeindlich sind die Potsdamer natürlich nicht, sie fremdeln nur manchmal ein bisschen. Als das Asylbewerberheim am Schlaatz eingerichtet wurde, gab es auch Bedenken. Man könne doch nicht so viele Ausländer auf einem Fleck ansiedeln, hießen sie. Aber man kann. Und inzwischen geht am Schlaatz alles seinen Gang, seinen deutsch-multinationalen. Bei Feiern und Festen ist man sich sogar schon nähergekommen. Vielleicht ergreift auch in der Innenstadt jemand die Initiative, gründet eine solche und lässt Gemeinsamkeit aufleben. Dann ist man auch mal gemeinsam laut und fröhlich, kann sich besser über unnötige Belästigungen verständigen und das Essen der anderen riecht plötzlich appetitlich, weil man mitessen darf.

Jedenfalls wünsche ich dem Wohnblock Alter Markt 10 ein solch gutes Zusammenwohnen, dass der Stadtverordneten-Beschluss zum Abriss wieder gekippt wird, die Pro Potsdam ihn so schnell wie möglich saniert und der Mitteschön-Verein als Vertreter einer schönen Mitte entdeckt, dass er aufgepeppt gar nicht so hässlich ist. Und wie im Märchen sorgen ausgerechnet die Fremden dafür, dass die Alteingesessenen sitzen bleiben dürfen, wo sie es sich gemütlich gemacht haben. Die Toleranz aber feiert nicht nur das Edikt von Potsdam, sondern wahre Triumphe.

Unsere Autorin war langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.

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