Homepage: Mit den Augen Bukarester Straßenkinder
Annett Schütze ist mit HFF-Dokumentarfilm „Wenn ich weine, schlägt mein Herz“ im Rennen um Nachwuchspreis „First Steps“
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Mitgefühl, Ekel, Freude, Spaß und Fassungslosigkeit – der Zuschauer von „Wenn ich weine, schlägt mein Herz“ erfährt hautnah die Gefühlswelt, den Kampf ums Leben und Überleben, die Wünsche und das Elend rumänischer Straßenkinder. Der Film ist Teil einer Dokumentarfilm-Trilogie über das Leben in EU-Beitrittsstaaten. Erdacht und gedreht von Annett Schütze. Die Absolventin der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“. Mit dem zweiten Teil ihrer Reihe ist sie für den Nachwuchspreis „First Steps“ nominiert, der am kommenden Dienstag in Berlin verliehen wird.
Das Schicksal der Straßenkinder berührt auf eine ganz eigene Art. Denn Schütze beließ es nicht dabei, die Schwierigkeiten der Straßenkinder aus der Distanz eines Filmemachers zu zeigen. Sie wollte, dass die Kinder und Jugendlichen selbst ihr Leben filmen, aus ihrer Sicht, mit ihren Augen. Dabei rückt auch die Arbeit der Stiftung Parada in den Fokus, eine Organisation, die 1992 vom französischen Clown Miloud Oukili gegründet wurde. Einige der Bukarester Straßenkinder erhalten über den Tag Essen, therapeutische Hilfe, Bildung und Zirkusunterricht. Denn das Motto des Gründers lautet: „Wenn man erfolgreich Zirkus machen kann, findet man auch Wege, die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern.“
Der Film besticht durch die verschiedenen Sichten, die statischen Bilder der deutschen Crew und die wackeligen, mal schrecklichen, mal phantastischen Bilder der Bukarester Kinder Natalia Burlan, Vandana Constantinescu, Mustafa Alexandru, Alin Gheorghe, Gabriel Iordache. Schütze drückte den Protagonisten dafür kleine Kameras in die Hände, die damit ihren Alltag, ihre Träume, Ängste, Wünsche selbst aufzeichnen sollten. „Es war wirklich spannend, die Ergebnisse zu sichten“, sagt Annett Schütze. Der Einfallsreichtum beeindruckte die Macher. Die Kinder spielten mit der Kamera, kippten das Bild, nutzten Licht und Schatten, und adaptierten abgeschaute Profi- Tricks.
Schwierig war die Arbeit mit den rumänischen Behörden. Drehgenehmigungen, ob auf öffentlichen Plätzen, auf Friedhöfen oder in Schulen – fast immer musste Geld eingesetzt werden, um überhaupt gehört zu werden. Eine Garantie auf eine Dreherlaubnis gab es nie, Ablehnungen blieben unbegründet. „Das war nervenaufreibend.“ Richtig gefährlich wurde es, als die rechtlich notwendige Erlaubnis der Eltern einzuholen waren. Denn viele der Parada-Kinder haben zwar noch Eltern, die aber kümmern sich weder um Erziehung noch geben sie ihren Kindern wirkliche Liebe. „Fast alle Eltern wollten Geld sehen“, erzählte Schütze. Meist gab es dann finanzielle Unterstützung, das Filmteam beglich Strom- oder Wasserrechnungen. Drohungen gegen Teammitglieder, ja sogar ein absichtlicher Autounfall, waren die schlimmsten Erlebnisse bei den Treffen mit den Erziehungsberechtigten der Parada-Kinder.
Aufreibend war die Auswahl der Bilder. Fast 100 Stunden Material aus den Drehs im Jahr 2006 musste zusammengestellt werden. Der Aufwand hat sich gelohnt: Neben dem Förderpreis der Robert-Bosch-Stiftung erhielt der Film, der für Schütze gleichzeitig die HFF-Abschlussarbeit darstellt auch den Babelsberger Medienpreis 2008. Doch lange fand sich trotzdem weder ein Aufführungsort für den Film noch ein Verleih oder Sender, der bereit war, den Film zu zeigen. Deshalb bedeuten mir Preise nicht so viel. Wichtiger wäre es, dass das Genre Dokumentarfilm in den Medien stärkere Beachtung finden würde“, sagt Annett Schütze.
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