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Landeshauptstadt: Mit den Jahren immer länger

Seit 1985 liefert die Bäckerei Schröter den Maxi-Stollen für den Weihnachtsmarkt: Jetzt ist es wieder soweit

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Die Sache mit dem Stollen hat bei der Bäckerei Schröter Tradition. Nur: Mit den Jahren ist er immer länger geworden. Und wurde immer früher aufgetischt. 1985 lieferte die Backstube zum ersten Mal einen Riesenstollen zur Eröffnung des Potsdamer Weihnachtsmarktes. „Der war drei Meter lang“, erinnert sich Senior Erich Schröter. Damals fand der Weihnachtsmarkt noch auf dem Alten Markt statt und wurde vom Schaustellerverband organisiert. Die Buden und Dekorationen bauten die Handwerker aus den Babelsberger Defa-Studios. Heute dagegen hat sich Weihnachtsmarkt in der Brandenburger Straße etabliert. Am kommenden Donnerstag wird dort, genauer gesagt am Luisenplatz, wieder der Schröter-Stollen angeschnitten und die Glühwein-Saison eingeläutet. Fünf Meter lang ist das Prachtstück diesmal. Am gestrigen Freitag wurde es gebacken.

4.30 Uhr. Ist das schon Morgen oder noch Nacht? Draußen ist es nasskalt, in der Dortustraße sind weder Autos noch Menschen unterwegs. Der Hof der Bäckerei ist das einzige Haus, in dem zu dieser Zeit Licht brennt. „Wir haben schon acht Stunden Arbeit hinter uns“, begrüßt Andreas Schröter die Gäste lächelnd. Vor zwei Jahren hat der 29-Jährige gemeinsam mit seinem älteren Bruder Matthias die Backstube vom Vater übernommen – die Traditionsbäckerei, die 1945 bei Jüterbog gegründet wurde und seit 1953 in Potsdam zu Hause ist, geht damit in die dritte Generation. Andreas Schröter ist der Bäckermeister, Matthias Schröter verantwortet die Konditorei. Stollen sind eine Angelegenheit für die Bäcker.

Und bei denen sitzt an diesem Morgen jeder Griff. Es dauert keine halbe Stunde, bis Bäckergeselle René Lindner die Laibe in den Ofen schieben kann. Zum fertigen Hefestück – aus Mehl, Milch und Hefe – kippt er erst den Grundteig aus Butter, Zucker und Aromen in die Knetmaschine. Dann kommen Zitronat, Orangeat, gehobelte Mandeln und Rosinen dazu. Die Mandeln sind für den echten Stollengeschmack in Rum getränkt, erklärt Andreas Schröter, der von seinen Mitarbeiter nur „Junior“ gerufen wird. Gebacken wird nach Familienrezept.

Vor der Wende musste die Bäckerei dafür manchmal improvisieren, erinnert sich Senior Erich Schröter. Allein genug echte Butter und die Rosinen zu bekommen, erforderte ein gewisses Verhandlungs- und Planungsgeschick. Eine wichtige Anlaufstelle war das Backwarenkombinat – also die Großbäckerei. Die verkaufte dem Handwerksbetrieb mit etwas Glück Überbestände. Statt Zitronat gab es einen am Rehbrücker Getreideinstitut erfundenen Ersatz aus grünen Tomaten. Geschmeckt hat es trotzdem, weiß Erich Schröter. „Damals haben viele Leute unsere Stollen gekauft und zu Verwandten in den Westen geschickt“, erzählt er: „Zu Weihnachten kamen dann die Kaffeepakete zurück.“

Schummeln müssen die Bäcker heute nur bei der Länge: Der Riesenstollen für den Weihnachtsmarkt wird aus sieben Einzelteilen zusammengesetzt. „Einen Fünf-Meter-Ofen haben wir natürlich nicht“, erklärt Andreas Schröter. 40 Kilogramm Teig hat er mit seinen Mitarbeitern in sieben Berge von je fünfeinhalb Kilogramm aufgeteilt und zu armdicken Rollen geformt. Ein Längsschnitt soll das Aufbrechen im Ofen verhindern.

Die Stollenbackzeit beginnt bei Schröters traditionell am 7. Oktober. Zwei- bis dreimal pro Woche steht das Weihnachtsgebäck dann auf dem Plan. Wenn am Tag nach Weihnachten die letzten Stollen gebacken werden, dann sind mindestens 1500 Exemplare über den Ladentisch gegangen – oder an Kunden in der ganzen Stadt geliefert.

Denn die Traditionsbäckerei macht heute etwa drei Viertel des Umsatzes mit Lieferungen, wie Andreas Schröter erklärt. Schröters Brötchen und Brot kommen in Potsdamer Hotels, Altenheimen oder Kindergärten auf den Tisch. Deshalb gibt es in der Backstube auch keinen Ruhetag, nicht mal am Sonntag, wenn der Laden geschlossen hat. „Ohne meine fleißigen Mitarbeiter wäre das gar nicht zu bewältigen“, sagt der Junior.

Und dann sind da noch die Spezialaufträge: Zur 775-Jahrfeier von Berlin lieferte die Potsdamer Bäckerei eine riesige Festtorte mit rotem B ins Rote Rathaus. Auch wenn bei der RTL-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ Torten im Spiel sind, stammen die oft von Schröters. Bald kommt die Bäckerfamilie sogar auf der Kinoleinwand zu Ehren: Für die Märchenverfilmung „Beauty and the Beast“ – Die Schöne und das Biest –, die derzeit mit Gerard Depardieu im Studio Babelsberg gedreht wird, lieferte der Handwerksbetrieb unlängst die nötigen Backwaren für eine opulent ausgestattete Tafel, berichtet Senior Erich Schröter stolz.

Mittlerweile ist es 6.12 Uhr. Schröter junior zieht den Wagen mit den Blechen aus dem Ofen. Noch dampfend heiß werden die Stollen mit flüssiger Butter bestrichen, zweimal nacheinander. Dann kommt eine Schicht Zucker darüber. Bis zum kommenden Donnerstag ruht das Gebäck abgedeckt. Erst kurz vor dem Anschnitt werden sie zusammengesetzt, Kanten weggeschnitten und alles mit Puderzucker bestäubt. Etwa 500 Scheiben ergibt der stets begehrte Riesenstollen.

Mit drei Oberbürgermeistern und einer Oberbürgermeisterin hat Erich Schröter den Weihnachtstollen seit 1985 schon publikumswirksam angeschnitten. Diesmal wird das Rathaus allerdings durch den Baubeigeordneten Matthias Klipp vertreten. Um 15.15 Uhr wird der Bündnisgrüne mit einer Kutsche vom Stadthaus abgeholt. Am Luisenplatz darf er dann das Messer ansetzen.

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