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Landeshauptstadt: Mit Engelszungen

Potsdamerin gewann bundesweiten Wettbewerb für ihr Engagement zur Verkehrssicherheit

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Potsdam hat eine Schutzengelin. Die schöne, junge Frau mit lachenden braunen Augen tourt mit drei weiteren Gefährten durch Brandenburgs Diskotheken. Mit blauen Perücken und goldenen Engelsflügeln verkleidet, versucht das himmlische Quartett, Jugendliche zwischen 18 und 25 für verantwortungsbewusstes Verhalten bei den nächtlichen Fahrten von der Disko nach Hause zu überzeugen – an diesem Samstagabend im Waschhaus.

Der irdische Name der preisgekrönten Potsdamer Engelin ist Vanessa Madey. Seit sechs Jahren geht sie auf die abendlichen Streifzüge und redet „mit Engelszungen“ auf manche leichtsinnige Jugendliche ein, die sich trotz Alkohol noch Autofahren zutrauen. Im September hat Vanessa den ersten Preis des bundesweiten Wettbewerbes „Safety Stars – Menschen engagieren sich“ gewonnen.

Als 19-Jährige hat Vanessa von der Kampagne für Verkehrssicherheit „Lieber sicher. Lieber leben.“ des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung erfahren und sich spontan als Schutzengel beworben. „Ich wollte meine Diskobesuche mit etwas Sinnvollem verbinden“, erinnert sich Vanessa.

Nur auf nochmaliges Nachfrage verrät sie mit gebrochener Stimme den tieferen Grund für ihr Engagement: Sie selbst hatte nach einem Diskobesuch als Beifahrer einen schweren Verkehrsunfall, bei dem zwei Menschen starben. „Ich habe keinen Kratzer abbekommen“, setzt sie leise hinzu. Der Fahrer war betrunken. Vanessa hatte den letzten Bus verpasst und wollte „einfach nur nach Hause, egal wie“.

Seit ihren langjährigen Erfahrungen als Schutzengel kann Vanessa die Jugendlichen nun „besser einschätzen als damals“ – und hat eine eigene Strategie entwickelt, mit den jungen Diskobesuchern ins Gespräch zu kommen. Sie suche sich meistens eine Clique heraus, auf deren Tisch viele alkoholische Getränke stehen. „Und wer fährt?“ – fragt sie dann provokant. „Zumeist haben sich die Jugendlichen Gedanken über den Nachhauseweg gemacht und einen Fahrer bestimmt“, sagt Vanessa.

Durch die „Party-Laune“ verlaufen sich die Absprachen aber oftmals im Sand – keine fühle sich mehr zuständig. In diesem Fall zeigt Vanessa Alternativen zum alkoholisierten Autofahren auf, wie das Ausweichen auf öffentliche Verkehrsmittel oder Taxi. Vanessa erzählt den Jugendlichen nichts Neues. „Aber allein die Anwesenheit der Engel regt die jungen Leute zum Nachdenken an“, erklärt Vanessa. Vanessa weiß, wie sie die Jugendlichen packen muss – „nie belehrend und mit Zahlen von Unfalltoten“. „Ich versuche es auf die emotionale Schiene“, sagt sie. Vanessa verweist auf Freunde, für die der Fahrer ebenfalls Verantwortung trägt.

An ihren größten Erfolg kann sich Vanessa noch sehr gut erinnern. „Ein junger Mann konnte beim Verlassen der Disko kaum gerade gehen und wollte trotzdem noch Auto fahren.“ Vanessa überredete ihn, sein Auto stehen zu lassen und mit dem Taxi zu fahren. Andere Mittel als ihre Überredungskunst hat Vanessa nicht. Die Polizei habe sie nie im Schlepptau. „Sonst würden wir nicht mehr in die Diskos reingelassen, schließlich wollen wir niemanden die Party vermasseln.“

An über zehn Wochenenden im Jahr ist Vanessa unterwegs – vor allem in Großraumdiskotheken in ländlichen Regionen. Nebenbei ist sie Germanistik-Studentin an der Universität Potsdam. Da der Termin für ihre Abschlussprüfung näher rückt, will Vanessa ihre Engelsflügel bald an den Nagel hängen. „Langsam bin ich auch aus dem Alter der Zielgruppe raus und das ist nicht im Sinne des Erfinders.“

Angela Gencarelli

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